Epilog


195 Jahre später …


Knurrend marschierte Rhiannon zurück zur Höhle der Familie. In Devenallt stand ihr Thron, doch hier in dieser Höhle zog sie ihre Jungen groß. Und was für verzogene, verwöhnte kleine Jungen das waren!

Ohne nachzudenken, stürmte sie an ihrem Gefährten vorbei, der zusammen mit seiner Sippe damit beschäftigt war, sich Schlachtpläne anzusehen. Ihr Thron war in Gefahr, und sie würden in den Krieg ziehen. Ihre zwei Ältesten hatten bereits die Rüstung der Kampfdrachen erhalten. Sie wollte nicht, dass sie gingen, doch sie waren jetzt alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Bercelaks Klaue hielt sie am Unterarm fest. »Was ist los?«

»Nichts.« Sie versuchte, sich von ihm loszumachen, doch sein Griff war wie ein Schraubstock.

»Lasst uns allein!«, befahl er den Drachen im Raum. Und ohne zu zögern taten sie es.

»Was ist los, Rhiannon? Sag es mir.«

Sie entriss ihm ihren Unterarm und starrte ihren Gefährten wütend an. »Deine«, und sie unterstrich dieses »Deine« mit ihrer Schwanzspitze vor seinem Gesicht, »deine Nattern von Sprösslingen haben ihm den Schwanz abgeschnitten!«

Bercelak schüttelte verwirrt den Kopf. »Wessen Schwanz abgeschnitten?«

»Gwenvaels!«, schrie sie, so wütend, dass sie kaum klarsehen konnte.

Doch statt seine Sprösslinge zu sich zu zitieren, um ihnen zu sagen, was für fürchterliche kleine Bastarde sie waren, brach er in Lachen aus.

»Ich bin sicher, er hatte es verdient!«

Ihr Schwanz schlug ihm gegen den Hals. »Das ist nicht lustig!«

»Oh, Rhiannon, mach ihn einfach wieder ganz. Du verhätschelst ihn zu sehr.«

Sie stampfte mit dem Fuß auf, dass die Höhlenwände wackelten. »Das kann ich nicht!«

»Warum nicht?«

»Als ich sie erwischt habe, habe ich sie gerade in dem Moment angebrüllt, als Fearghus ihn Briec zugeworfen hat. Er ist so erschrocken, dass er ihm durch die Hände gerutscht und in den Fluss gefallen ist … sie konnten ihn nicht finden.«

Bercelak räusperte sich und bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu machen. »Sowas kann leicht passieren, mein Liebling.«

Sie rammte ihre Schwanzspitze gegen Bercelaks Brust, was ihn keinen Millimeter vom Fleck bewegte. »Du hast sie genauso erzogen wie dein Vater euch, mein Liebling. Diese kleinen Bastarde kann man nicht erschrecken!«

Unfähig, es noch länger zurückzuhalten, lachte Bercelak wieder laut heraus. »Ich weiß!«

»Oh!« Rhiannon drehte sich um und wollte davonstürmen, doch Bercelaks Unterarme schlangen sich um sie und zogen ihren Drachenkörper eng an seinen.

»Sei nicht sauer, Liebling. Bitte. Es tut mir leid.« Er versuchte tapfer, nicht zu lachen.

»Es war schrecklich, Bercelak. Überall spritzte Blut herum, und er hat den Schwanz die ganze Zeit herumgeschwungen.«

Schnaubend fing Bercelak wieder an zu lachen.

»Weißt du«, grollte sie, »du fändest das nicht so lustig, wenn es deine heißgeliebte Morfyd oder Keita wäre.«

Wie sie wusste, ernüchterte ihn das auf der Stelle. »Nein, das stimmt.«

»Tja, genauso geht es mir mit meinem Gwenvael.«

»Ich sage es dir noch einmal: Du verhätschelst ihn zu sehr.«

»Und du bist zu hart zu ihm, weil er dich an deinen Vater erinnert.«

»Von dem Moment an, als er zwanzig Winter alt war, habe ich ihn ständig mit den Küchenmädchen meines Vaters erwischt!«

»Er ist eben lebenslustig.«

»Er ist eine Hure.«

»Oh!« Sie befreite sich aus seinen Armen. »Ich bin nicht gewillt, darüber noch weiter zu diskutieren. Du verärgerst mich, Nichtswürdiger.«

Sie wandte sich ab, doch seine Stimme hielt sie auf.

»Lass mich nicht einfach stehen, Rhiannon.« Es lag keine Drohung in seiner Stimme. Nur ein köstliches Versprechen.

»Verwandle dich«, befahl er mit leisem Schnurren.

»Warum sollte ich?«

»Weil ich es dir sage.«

Sie tat ihr Bestes, um den Schauder zu verbergen, der über ihren Körper lief, und nahm menschliche Gestalt an. Innerhalb von Sekunden umschlangen sie seine menschlichen Arme von hinten, dann murmelte ihr seine tiefe Stimme ins Ohr: »Du bist viel zu angespannt, Prinzessin.«

»Du glaubst wohl, du kannst mir helfen?«

»Oh, aye. Ich weiß, dass ich das kann.«

Seine Hände auf ihren Brüsten, zog er sie rückwärts, bis sie wusste, dass sie sich direkt neben dem Tisch mit all seinen ausgeklügelten Schlachtplänen und Landkarten befanden. Und genau auf diesen warf er sie.

Er trat zwischen ihre Beine und senkte den Kopf, bis sein Mund ihre Brust umschloss.

Stöhnend lehnte sie sich zurück, die Beine um seine Mitte geschlungen, die Hände in seinem seidigen schwarzen Haar vergraben. Nach all der Zeit fühlte er sich immer noch so unglaublich gut an.

Doch sie vergaßen eine Kleinigkeit … um genau zu sein, fünf nicht ganz so kleine Kleinigkeiten …

»Ihr Götter!«, brach es aus ihrem ältesten Sohn heraus. »Könnt ihr zwei euch nicht eine abgelegene Nische suchen oder zumindest ein Bett?«

Rhiannon sah ihre Kinder am Eingang stehen. Ihr Ältester, Fearghus, legte seine Klauen vor die Augen ihrer zwei Jüngsten, Keita und Éibhear. Morfyd sah erschrocken und peinlich berührt aus, Briec gelangweilt, und Gwenvael applaudierte natürlich.

»Es ist nett, alte Drachen beim Vögeln zu sehen, oder?«, jubelte er. Und plötzlich wünschte sie, sie hätte ihm den Schwanz abgeschnitten.

Bercelak hob den Kopf und brüllte: »Raus, ihr kleinen Mistkerle! Raus!«

Morfyd konnte es nicht schnell genug gehen. Sie rannte praktisch aus dem Raum; ihr weißes Haar wehte hinter ihr her. Ich muss wirklich versuchen, das Mädchen härter zu machen. Briec schnaubte und ging, wobei er nach hinten griff, sich Gwenvaels verletzten Schwanz schnappte und den neugierigen kleinen Bastard, der schrie und drohte und immer noch blutete, aus dem Raum zog. Fearghus hob seine kleinen Geschwister hoch und ging nach draußen, wobei Keita versuchte, die Hand ihres Bruders wegzuschieben, damit sie besser sehen konnte, und Rhiannons süßer kleiner Éibhear immer nur wiederholte: »Was ist denn? Was hab ich verpasst? Was ist denn?«

Als sie endlich fort waren, richtete Bercelak seine schwarzen Augen auf sie. Augen, die auch ihr Ältester hatte.

»Du wolltest Nachwuchs!«

»Ich weiß. Ich wollte nur nicht diesen Nachwuchs. Ich persönlich mache ja deinen Vater dafür verantwortlich.«

Bercelaks Augen weiteten sich. »Wie bitte?«

In schallendes Lachen ausbrechend, rief sie aus: »So habe ich das nicht gemeint!«

»Oh, das war’s Prinzessin. Das wirst du wiedergutmachen müssen.«

Damit hob er sie hoch und warf sie sich über die Schulter.

»Wo gehen wir hin?«, wollte sie wissen, immer noch lachend, während er tiefer in die Höhle hineinmarschierte.

»Was glaubst du wohl?«

Und lachend vollendeten sie gemeinsam: »Die Ketten holen!«


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