Kapitel 10

Ich schlief schlecht in dieser Nacht. Gertrude hatte mir zwar noch einen kleinen Imbiß und eine Tasse Schokolade gebracht, ehe ich zu Bett gegangen war, aber das hatte nichts geholfen. Die Aufregungen des Tages wirkten nach. Als ich schließlich doch eingeschlafen war, hatte Dr. Youngs späte Ankunft mich aus dem ersten Schlummer gerissen, und danach hatte ich Mühe, wieder Ruhe zu finden. Kein Wunder, daß ich mit leichten Kopfschmerzen erwachte, als das erste graue Licht des Tages ins Zimmer fiel.

Es war so kalt, daß ich noch eine Weile unter der Decke liegenblieb. Ich versuchte die Gefühle heraufzubeschwören, die mich am vergangenen Tag im Wäldchen bewegt hatten, aber der Nachmittag war mir so fern, als wären Monate vergangen. Colins Worte waren es, die mich vor allem bewegten, sein ruhiges Hinnehmen eines heimtückischen Schicksals, und vor allem seine und der anderen Entscheidung, keine Kinder mehr in die Welt zu setzen. Es war einfach furchtbar!

Ich stand schließlich doch auf, zog die Vorhänge zurück und blickte in einen grauen, unfreundlichen Tag hinaus. In der Auffahrt standen große dunkle Pfützen, die kahlen Zweige der Eschen und Akazien glitzerten, als wären sie mit Girlanden winziger Diamanten geschmückt. Ein Mädchen kam herauf, um mir beim Ankleiden zu helfen. Sie bürstete mein Samtkleid aus, schnürte mir das Korsett und ordnete die Unterröcke über der Krinoline. Sie half schweigend, ohne mich anzusehen, und ich fragte mich, was die Hausangestellten wohl über diese exzentrische Familie dachten.

Als ich ins Frühstückszimmer hinunterkam, stellte ich mit Überraschung fest, daß ich ganz allein war. Gertrude berichtete mir, daß Anna und Theo bei Henry wachten, dem es zusehends schlechter ging, während Martha es vorgezogen hatte, auf ihrem Zimmer zu bleiben und zu sticken. Colin war schon in aller Frühe ausgeritten.

Nachdem ich meinen Tee getrunken hatte, dem ich gegen die Kopfschmerzen ein wenig Brandy beigegeben hatte, beschloß ich, einen Rundgang durch das Haus zu machen. In London hatte ich immer einen Spaziergang im Hyde Park gemacht, wenn mich Probleme gequält hatten. Ich bildete mir ein, an der frischen Luft klarer denken zu können. Aber da das Wetter an diesem Tag so wenig verlockend war, beschloß ich, meinen Spaziergang ins Haus zu verlegen.

Mein erster Weg führte mich in den Salon. Ich wollte mich ans Klavier setzen und ein bißchen spielen, aber ich war innerlich so ruhelos, daß ich schon nach den ersten Takten wieder aufsprang. Flüchtig inspizierte ich ein paar andere, seltener benutzte Räume im Erdgeschoß; einen weiteren Salon, ein Arbeitszimmer, den Wintergarten, einen Tanzsaal, dessen Lüster von einer dicken Staubschicht blind und grau geworden waren. Meine Schuhe klapperten auf polierten Holzfußböden. Und überall umgab mich die gleiche strenge Stille. Mir war, als spürte ich in allen Räumen den starren Geist meiner Großmutter, die mit harter Hand über diese Familie herrschte und eisern an der Vergangenheit festhielt, als ob sie die Zeit zum Stillstand bringen wollte.

Nach einem ausgedehnten Rundgang durch das Erdgeschoß, wo ich nur ab und zu einem der Angestellten begegnete, die mich jeweils höflich grüßten, kehrte ich in die Bibliothek zurück, die mir in diesem Haus der liebste Raum war. Ich wanderte von Bord zu Bord und las die Titel der vielen Bücher, die sich hier im Lauf der Jahre angesammelt hatten; vielleicht, dachte ich, würde ich auf einen guten Roman stoßen, in den ich mich eine Weile verlieren konnte.

Doch nach einiger Zeit wurde mir kalt und ich ging zum Kamin, um mich aufzuwärmen. Ich richtete den Blick in die Flammen und ließ mich von ihrem Spiel gefangennehmen. Mein Kopf entleerte sich aller Gedanken, und ich trieb in eine angenehme Welt, wo ich an nichts dachte und nichts fühlte. Mein Blick fiel zufällig auf ein Stückchen Papier am Rand des Feuers. Gedankenlos blickte ich darauf, ehe meine Neugier erwachte. Ich beugte mich ein wenig tiefer und sah, daß das Fetzchen von einem Briefbogen stammte, der beschrieben war. Ich bückte mich und hob es auf und las die wenigen noch erkennbaren Worte. Plötzlich traf es mich wie ein Schlag: Was ich da in den Händen hielt, war ein Überrest meines Briefes an Edward.

Eisiger Schrecken packte mich.»Nein!«flüsterte ich.»Lieber Gott, nein!«

Mir zitterten plötzlich die Knie, und ich ließ mich schwer in einen Sessel fallen. Schweiß trat mir auf die Stirn, und die Kopfschmerzen kehrten wieder.

Mein Brief an Edward war abgefangen worden. Jemand hatte ihn gelesen und dann ins Feuer geworfen. Aber wer? Wem hatte das Mädchen, dem ich die Besorgung anvertraut hatte, den Brief gegeben? Ich drückte mir die Hände an die Schläfen. Nur meine Großmutter konnte solche Macht besitzen. Aber, nein. Auch Henry konnte dahinterstecken. Oder Anna. Vielleicht besaß auch Theo genug Einfluß auf die Dienerschaft, um den Leuten befehlen zu können, jegliches Schreiben, das ich abschicken sollte, unverzüglich zu ihm zu bringen. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Dort in den Flammen brannte mein Brief an Edward. Mein Hilferuf hatte ihn nie erreicht. Meine einzige Verbindung zur Außenwelt war einfach abgeschnitten worden. Einer aus meiner Familie hatte den Brief abgefangen, gelesen, was ich geschrieben hatte — o Gott, und was ich alles geschrieben hatte! — und hatte das Schreiben dann vernichtet. Warum?

Die Antwort lag auf der Hand: Der Täter wollte nicht, daß Edward etwas von den Geschehnissen hier erfuhr; wollte nicht, daß er hierher kam; wollte verhindern, daß ich Hilfe erhielt.

Hieß das auch, daß ich in diesem Haus eine Gefangene war? Ich fragte mich, ob die Person, die den Brief vernichtet hatte, auch das Schreiben unter Sylvias Namen abgeschickt hatte. Einer aus meiner Familie — vielleicht auch alle — hatten mich hierher gelockt, um zu erreichen, daß ich dieses Haus niemals wieder verlassen würde, daß ich niemals wieder zu Edward zurückkehren würde.

Natürlich, das war es. Ich stand langsam auf. So war zumindest Henry von Anfang an gegen meine Heirat mit Edward gewesen. Wollten sie etwa, daß ich auch für immer hier blieb, unverheiratet und kinderlos? Aber erklärte das Sylvias Schreiben? Was hätte meiner Familie daran liegen sollen, auch meine Mutter zurückzuholen? Es ergab keinen Sinn. Ich hatte plötzlich rasende Kopfschmerzen; ich wollte nur noch hinauf in mein Zimmer, mich hinlegen und versuchen, endlich Klarheit zu bekommen.

Regen schlug gegen mein Fenster, die Luft war feucht und klamm. Das Feuer konnte wenig ausrichten gegen die Kälte, die wie eisiger Atem durch alle Ritzen drang. Ein gemütliches Zimmer war dies heute wahrhaftig nicht, aber wenigstens war ich hier allein und ungestört. Und ich mußte jetzt allein sein. Ich mußte nachdenken, die vergangenen vier Tage in allen Einzelheiten an mir vorüberziehen lassen, um festzustellen, wann der Alptraum begonnen hatte. Aber ich erkannte bald, daß er schon in dem Moment begonnen hatte, als ich draußen an die Tür geklopft und Gertrude mich empfangen hatte. Ich fühlte mich wie in einem Netz gefangen, unfähig, irgend etwas zu verstehen. Nicht den kühlen Empfang und die Heimlichtuerei; nicht die Geschichten über das Ende meines Vaters und die unvermeidbare Krankheit, der angeblich keiner von uns entrinnen konnte; nicht Großmutters abweisende Reaktion auf meine Rückkehr und die Furcht aller davor, daß ich mich an die ausgelöschten fünf Jahre erinnern könnte; nicht Sylvias Brief und die Vernichtung meines Briefes an Edward. Ich hatte nur den verzweifelten Wunsch, mich aus diesem Netz zu befreien.

Das konnte mir aber nur gelingen, wenn ich mich erinnerte. In mir verschüttet lag das Bild jener Szene im Wäldchen, die ich als Kind mitangesehen hatte. Was konnte ich tun, um es zurückzuholen? Damals war Vergessen Schutz gewesen, jetzt aber mußte ich mich erinnern, um mich zu schützen.

Als meine Kopfschmerzen nachgelassen hatten und der erste Schrecken vorüber war, bestärkte ich mich innerlich in meinem Entschluß, der Lösung des Rätsels auf die Spur zu kommen. Ich würde noch einmal ins Wäldchen hinuntergehen, ich würde alles tun, was in meiner Macht stand, um die Erinnerung an die Ereignisse jenes Tages heraufzubeschwören, und dann würde ich ihnen allen beweisen, daß mein Vater ermordet worden war. Damit wäre gleichzeitig erwiesen, daß der sogenannte Fluch nichts als eine Erfindung war, ein Hirngespinst, das jemand erdacht hatte, um die Wahrheit über die Verbrechen zu vertuschen. Das Mittagessen nahm ich in meinem Zimmer ein. Dann schlüpfte ich in mein Bett, um nach der schlechten Nacht ein wenig zu schlafen. Gegen vier Uhr nachmittags weckte mich Klopfen an meiner Tür. Als ich öffnete, stand Martha vor mir, offensichtlich aufgeregt, den unvermeidlichen Pompadour im Arm.»Großmutter möchte dich sehen, Leyla.«

«Jetzt?«

«Sie hat uns alle rufen lassen. Am besten kommst du gleich mit.«

Sie wirkte so erregt, daß ich sie durch eine Weigerung nicht noch mehr in Aufruhr versetzen wollte.»Gut«, sagte ich deshalb, eilte ins Zimmer zurück, um mir einen Schal zu holen.»Sie ist doch nicht krank?«fragte ich.»Großmutter ist niemals krank.«

Damit war unser Gesprächsstoff erschöpft. Schweigend gingen wir durch den Flur zu den Räumen meiner Großmutter. Wie vor den anderen Gesprächen mit ihr, kroch eisige Furcht an mir herauf, und gleichzeitig war ich wütend, daß ich es nicht schaffte, mich ihrer kalten Macht zu entziehen.

Die Tür stand offen, und wir traten ein, ohne anzuklopfen. Die anderen Familienmitglieder warteten schon. Meine Großmutter thronte wie immer in ihrem Lehnstuhl, das Gesicht im Schatten. Anna saß in einem Sessel vor ihr, auf der einen Seite neben sich Theo, auf der anderen Colin. Außer Henry war die ganze Familie anwesend. Keiner beachtete uns, als wir eintraten, alle hielten sie den Blick folgsam auf die mächtige Herrin gerichtet. Die Luft in dem düsteren Gemach knisterte förmlich vor Spannung. Martha trat zu ihrem Bruder, und ich blieb etwas abseits stehen. Dann begann meine Großmutter zu sprechen.

«Ihr wißt alle, warum ich euch gerufen habe. Darum will ich gleich zur Sache kommen. Unter uns befindet sich ein gemeiner Dieb, und ich verlange, daß er ausfindig gemacht wird. Ihr könnt unter euch ausmachen, was zu tun ist.«

Verwirrt blickte ich von einem zum anderen.»Was ist denn passiert?«fragte ich.

«Leyla Pemberton«, antwortete meine Großmutter kalt,»gerade du müßtest wissen, wovon ich spreche.«

«Aber ich weiß es nicht.«»Es geht um Theos Ring«, sagte Martha leise zu mir.»Er ist verschwunden.«

«Theos Ring?«

«Nicht verschwunden, Kind«, warf meine Großmutter ein.»Er wurde gestohlen. Und ich verlange, daß der Dieb oder die Diebin entlarvt wird.«

Da begriff ich. Es handelte sich um den Rubinring, den Theo von seinem Großvater geerbt hatte. Um den Ring, an den ich mich im Wäldchen erinnert hatte. Auf irgendeine Weise hatte er mit den Ereignissen von damals zu tun, aber ich konnte nicht ausmachen, wo die Verbindung lag.»Aber wer würde denn so etwas tun?«fragte ich.

Niemand antwortete mir.

Plötzlich begriff ich:»Was meinst du damit, daß gerade ich wissen müßte, wovon du sprichst? Beschuldigst du mich, den Ring gestohlen zu haben?«

«Das sind deine Worte«, antwortete meine Großmutter.»Aber das ist ja lächerlich!«

Anna mischte sich jetzt ein.»Du hast ihn neulich erst im Salon bewundert. Wir waren alle dabei.«

«Ich habe ihn nicht bewundert. Ich habe mich lediglich seiner erinnert.«

«Woher kennst du ihn?«fragte meine Großmutter.»Ich — ich weiß nicht. Es war nur eine flüchtige Erinnerung.«

«Ja, wer sollte ihn denn sonst genommen haben?«rief Anna heftig.»Tante Anna! Ich bin empört! Wie kannst du es wagen, mich als gemeine Diebin hinzustellen!«

«Leyla hat recht, Großmutter«, sagte Theo.»Das ist wirklich ungerecht. Es sind vorher schon Schmuckstücke verschwunden. Immer wieder. Ich bin der Meinung, wir sollten die Angestellten verhören.«

Während er mich in Schutz nahm, spähte ich durch die Düsternis zu ihm hinüber, und zum erstenmal sah ich ihn von einer menschlichen Seite. Groß und aufrecht stand er da und widersprach den anderen um meinetwillen. Colin hingegen, gelassen die Arme verschränkt, brachte nicht ein Wort zu meiner Verteidigung hervor. Ich war wütend auf ihn. Nach seinen letzten Worten sah Theo mich mit versöhnlichem Lächeln an, und ich dankte ihm ebenfalls mit einem Lächeln.»Gut, wir werden die Domestiken verhören«, entschied meine Großmutter.»Und wir werden mit aller Gründlichkeit nach dem Ring suchen. Gemeinen Diebstahl innerhalb der Familie lasse ich nicht zu. «Mit einer hoheitsvollen Handbewegung entließ sie uns. Ich war zornig und empört. Diese Zusammenkunft hatte stattgefunden, um mich zu demütigen; nur weil Großmutter aus irgendeiner Laune heraus beschlossen hatte, daß ich schuldig sein müsse. Doch ich ließ mir von meinen Gefühlen nichts anmerken. Ich war nicht bereit, mich von solchen Gemeinheiten, von Drohungen und Beschuldigungen zurückschrecken zu lassen. Im Gegenteil, sie bestärkten mich nur in meiner Entschlossenheit und meinem Kampfeswillen. Es ging um meine Rechte und um die Ehrenrettung meines Vaters.

Draußen im Flur trat ich zur Seite, um Anna vorbeizulassen. Sie warf mir einen Seitenblick zu, und im Schein des Gaslichts sah ich, wie eingefallen ihr Gesicht war und wie erschöpft sie aussah. Sie hatte vermutlich die ganze Nacht bei Henry gewacht, dem es offenbar sehr schlecht ging. Unter dieser Belastung war es verständlich, daß sie reizbar war und nicht fähig, klar zu denken.

Aber als Colin an mir vorüberging, sah ich ihn scharf an. Er schien es jedoch gar nicht zu bemerken. Mein Verdacht, daß er der besondere Vertraute meiner Großmutter war, verstörte mich; denn wenn er zutraf, war Colin nicht der selbstbewußte, eigenwillige Mann, für den er sich ausgab, sondern ein Feigling, der sich von einer alten Frau gängeln ließ. Theo blieb einen Moment neben mir stehen, als er herauskam, und sah mich lächelnd an. Ich sah Anteilnahme in diesem Lächeln und vielleicht eine Spur Reue darüber, wie man mich behandelt hatte. In diesem Moment, als unsere Blicke sich trafen, hatte ich die Hoffnung, daß wir vielleicht doch Freunde werden könnten.

Martha und ich kehrten gemeinsam zu unseren Zimmern zurück, ich voll innerer Erregung, sie nervös und unablässig mit den Schnüren ihres Pompadours beschäftigt. Es wunderte mich nicht, daß sie stehenblieb, als wir mein Zimmer erreichten. Ich hatte gespürt, daß sie etwas auf dem Herzen hatte.

«Leyla, Großmutter glaubt wirklich, daß du den Ring aus Theos Zimmer gestohlen hast. Ich habe sie nie so zornig erlebt.«

«Sie ist alt und eigensinnig, Martha. Was sollte ich mit dem Ring wollen?«

«Nun ja, du bist doch. «Sie hielt die Lider gesenkt.»Großmutter sagt, du seist völlig mittellos. Sie sagt, daß du nur des Geldes wegen nach Pemberton Hurst gekommen seist. Und als dir niemand freiwillig welches anbot, hättest du dich aufs Stehlen verlegt.«

«Das ist Unsinn, Martha«, entgegnete ich trocken.»Der Mann, den ich heiraten werde, lebt in guten Verhältnissen. Dann brauche ich das Familienvermögen nicht. Ihr könnt eure Baumwollspinnereien und Ländereien und kleinlichen Zänkereien gern behalten. Ich möchte von hier nur eines, und das ist meine Vergangenheit. Wenn ich sie wiedergefunden habe, gehe ich von hier fort und komme nie zurück. «Erst jetzt sah sie zu mir auf. Obwohl sie zweiunddreißig Jahre alt war, war ihr Gesicht zart und jung. Äußerlich ähnelten wir einander, aber vom Naturell her waren wir sehr unterschiedlich. Martha war eine stille, äußerst zurückhaltende Frau.»Ich beneide dich«, sagte sie leise.»Du beneidest mich? Worum denn?«

«Du kannst von hier fortgehen und heiraten und Kinder bekommen.«

«Das kannst du doch auch, Martha.«

Sie schüttelte den Kopf, daß die Korkenzieherlöckchen, die ihr Gesicht umrahmten, tanzten.»Jeder, der von hier weggeht, wird von Großmutter enterbt. Sie hat uns verboten, jemals zu heiraten, und wird uns keinen Penny vermachen, wenn wir ihr zuwiderhandeln sollten. Auf dich wartet Edward, und du sagst, daß er wohlhabend ist. Ich wüßte nicht, wohin ich mich wenden sollte, wenn ich hier fortginge. Ich bin gefangen hier. Wir alle sind hier gefangen.«

Ihr Ton war ganz sachlich, aber in ihren Augen war eine verzweifelte Sehnsucht.

«Im Grunde macht es mir nichts aus«, fügte sie hinzu.»Aber manchmal frage ich mich, wie es ist, wenn man — mit einem Mann zusammen ist. «Sie wurde rot.»Entschuldige. Ich weiß, so etwas sagt man nicht.«

«Ach, Unsinn. Jede Frau wünscht sich die große Liebe. Jede Frau möchte den richtigen Mann heiraten und mit ihm zusammen Kinder haben. Du bist nicht anders als alle Frauen.«

«Doch, ich bin anders. Ich muß es sein, weil ich eine Pemberton bin. Es wäre eine Sünde, wenn ich mich entschlösse, Kinder zur Welt zu bringen, denen eines Tages das gleiche Schicksal droht, was mich und dich erwartet. Großmutter hat recht; die Familie muß aussterben. «Martha liefen die Tränen über das Gesicht, und ich hätte am liebsten mit ihr geweint.»Und trotzdem — weißt du, manchmal sehe ich in East Wimsley einen hübschen Mann, und dann stelle ich mir vor.«

«Natürlich, Martha. Das kann ich verstehen.«

«Ich weiß ja nicht einmal, wie es ist, wenn man von einem Mann einen Kuß bekommt.«

Ich dachte an Edward und die kühlen Küsse, die er mir auf die Wange zu geben pflegte.

Martha wischte sich mit der Hand die Augen.»Du hast den Ring wahrscheinlich wirklich nicht genommen«, sagte sie schniefend,»aber davon mußt du Großmutter erst einmal überzeugen.«

Ich wurde wieder ärgerlich.»Mein Wort sollte eigentlich genügen. Bitte, entschuldige mich jetzt, Martha.«

Zornig und traurig zugleich zog ich mich in mein Zimmer zurück. Die Anschuldigung vor allen anderen, ohne daß mir außer Theo jemand zu Hilfe gekommen wäre, war demütigend und empörend gewesen. Nun aber fragte ich mich, was es mit diesem Ring eigentlich auf sich hatte. War es Zufall gewesen, daß er verschwunden war, unmittelbar nachdem ich mich draußen im Wäldchen, wenn auch nur flüchtig, seiner erinnert hatte? Spielte er vielleicht an jenem Tag eine viel wichtigere Rolle, als mir bewußt war? Aber, warum hatte man den Ring gestohlen? Ich spürte, daß zwischen Theos Ring und den Geschehnissen im Wäldchen vor zwanzig Jahren ein direkter Zusammenhang bestand, und daß sein plötzliches Verschwinden kein Zufall sein konnte. Wenn jemand fürchtete, ich würde den Ring mit der Ermordung meines Vaters in Verbindung bringen, dann hatte man den Ring vielleicht verschwinden lassen, damit durch seinen Anblick nicht klarere Erinnerungen bei mir ausgelöst werden würden.

Das war eine Erklärung, gewiß, aber sie war unzulänglich. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, daß mehr hinter dem Diebstahl steckte. Das Dickicht schien immer undurchdringlicher zu werden. Nach dem, was im Zimmer meiner Großmutter geschehen war, wollte ich das Abendessen nicht mit der Familie einnehmen und ließ es mir statt dessen auf mein Zimmer bringen. Dann machte ich es mir auf dem Sofa am Kamin gemütlich, nahm mir den Führer durch den Cremorne Park vor und flüchtete mich für eine Weile in Erinnerungen an glückliche Tage mit Edward. Nochmals zu versuchen, ihm zu schreiben, hatte keinen Sinn. Ich hielt es im übrigen auch nicht mehr für nötig. Ich war überzeugt, daß es mir auch allein gelingen würde, das Geheimnis dieses Hauses zu lüften.

Es war schon spät, als ich zu Bett ging, und erst, als ich meine Kerze löschen wollte, bemerkte ich das Buch. Es lag neben den beiden anderen Büchern, die ich aus London mitgebracht hatte, auf dem Nachttisch. Nachdem ich es einen Moment lang verwundert angesehen hatte, nahm ich es und zog die Kerze näher heran. Mit einer Mischung aus Überraschung und Argwohn drehte ich das Buch in den Händen. Es war ein altes Buch, sehr schön, in schwarzes Leder gebunden. Der Titel, der in verblaßter Goldschrift auf dem Rücken stand, lautete: >Die gesammelten Werke Thomas Willisc.

Ich runzelte verwirrt die Stirn. Ich fragte mich, aus welchem Grund man mir das Buch auf den Nachttisch gelegt hatte. Meine Kerze flackerte im Luftzug, der durch die Fensterritzen drang. Die Uhr über dem Kamin, in dem kein Feuer mehr brannte, tickte ruhig und gleichgültig. Dann schlug ich das Buch auf. Mr. Willis persönlich sah mich mit ernstem Blick an, ein charaktervolles, kluges Gesicht in ovalem Rahmen mit der Inschrift >Thomas Willis, Medic Professor Collegii Med, London et Societ Reg Sociusc. Die klaren Augen über den ausgeprägten Wangenknochen und der hervorspringenden Nase waren von buschigen Brauen überschattet. Der schmallippige Mund unter dem kleinen Bärtchen zeigte ein feines Lächeln. Der Mann war in einer Weise gekleidet, die an die Zeit Cromwells erinnerte und die von seinem Rang und seinem Ansehen Zeugnis ablegte. Unter dem ovalen Porträt standen die Worte,»Thomas Willis (1621–1675) im Alter von 45 Jahren, Kupferstich von Isabella Piccini. Frontispiz entnommen aus Opera omnia 1694«. Dem Titelblatt entnahm ich, daß diese Sammlung von Willis’ Werken von Sir Anthony Cadwallader, Professor in Oxford, zusammengestellt und 1822 von Mortimer and Sons in London veröffentlicht worden war. Noch immer höchst verwundert und ohne die geringste Vermutung, wer mir dieses Geschenk gemacht hatte, und warum, blätterte ich weiter zum Inhaltsverzeichnis. Und da begriff ich endlich.

Hier waren alle in diesem Band enthaltenen Werke aufgeführt, jedes mit einer kurzen Beschreibung versehen:

>Pharmaceutice rationalis oder eine Untersuchung der Wirksamkeit von Medizinen im menschlichen Körper< — >De febribus oder Fibererkrankungen und — epidemien< — >Anatomie des Gehirns samt seiner genauen Darstellung des Nervensystems und des Nervenkreises an der Gehirnbasis (Circulus genannt Willisi)< und zum Schluß >Medizinische Praxis<, ein Werk, in dem er >heimtückische und seuchenartige Fibererkrankungen< beschrieb.

Es war nicht schwer zu erkennen, daß mir das Buch zur Aufklärung über die erbliche Krankheit der Familie Pemberton dienen sollte. Weshalb sonst hätte man es mir ins Zimmer legen sollen? Doch war ich weder sonderlich an der Medizin interessiert, noch sammelte ich alte oder seltene Bücher. Wer immer sich heimlich in dieses Zimmer geschlichen und mir dieses Buch auf den Nachttisch gelegt hatte, mußte damit gerechnet haben, daß ich mir das Inhaltsverzeichnis ansehen und dabei auf eine ganz bestimmte Passage in diesem Buch stoßen würde. Und was konnte diese Passage anderes enthalten, als irgendwelche Belehrungen über eine Krankheit, die dem angeblichen Leiden der Pembertons glich? Ich betrachtete das Buch mit Bitterkeit. Was sollte das? Einer meiner Verwandten hatte mir heimlich — vielleicht, weil er meine Reaktion fürchtete, wenn er es mir persönlich gegeben hätte — das Buch ins Zimmer gelegt und hoffte nun, daß ich die richtige Stelle finden würde. Warum aber? Wozu? Um mir zu zeigen, wie bedauernswert diese ganze Familie war, und um mich dadurch versöhnlich zu stimmen? Um mir zu beweisen, daß die Krankheit der Pembertons keine Erfindung war, und um mich dadurch zu veranlassen, meinen Zorn auf die Familie zu bereuen?

Was auch der Grund sein mochte, ich war nicht bereit, mich rühren zu lassen. Dieses Buch war eine List, und das verärgerte mich nur noch mehr. Ganz gleich, was dieser Thomas Willis zu berichten hatte, auf meine Anteilnahme konnten die Pembertons nicht zählen. Sie hatten mich verletzt, waren grausam und egoistisch. Mochte dieser wahrscheinlich einst berühmte Arzt über eine Krankheit geschrieben haben, die der der Pembertons ähnlich war, mich interessierte das nicht. Daß man mir dieses Buch zur Kenntnis bringen wollte, war nichts als Taktik. Ich würde mich davon nicht einfangen lassen.

Zornig warf ich das Buch zu Boden, löschte die Kerze und zog mir die Bettdecke zurecht. Aber so müde ich auch war, ich konnte nicht einschlafen. Statt dessen mußte ich unablässig an das Buch denken. Was konnte dieser vergessene alte Wissenschaftler, nach dem man ein Netz von Arterien benannt hatte, schon geschrieben haben, das für mich von Bedeutung war?

Ungeduldig warf ich mich auf die andere Seite und versuchte, die richtige Lage zum Einschlafen zu finden. Während ich mit fest geschlossenen Augen dalag und draußen der Wind in den Bäumen seufzte, ging mir unaufhörlich Cadwalladers Buch durch den Kopf, wobei mich angesichts des angeblichen Leidens meiner Familie besonders beschäftigte, welche

Erkenntnisse wohl jenen Kapiteln über die >Anatomie des Gehirns< und die >heimtückischen und seuchenartigen Fibererkrankungen< zu entnehmen waren.

Ich öffnete die Augen. Ich würde ja doch nicht einschlafen können, das wußte ich jetzt, ehe ich jene Passage in Willis’ Werk entdeckt hatte, die sich auf die Pembertons beziehen ließ. Wer immer mir das Buch auf den Nachttisch gelegt hatte

— Anna, Theo, Colin oder Martha —, wußte genau, daß die Neugier mir keine Ruhe lassen und mich dazu treiben würde, so lange in dem Buch zu suchen, bis ich die entscheidende Stelle gefunden hatte.

Ich gab meiner Neugier also doch nach, stieg aus dem Bett, schlüpfte in meinen Schlafrock, zündete ein kleines Feuer im Kamin an und setzte mich im Schein einer Öllampe mit Thomas Willis’ >Gesammelten Werken< aufs Sofa.

Die Biographie des Mannes war interessant. 1621 wurde er in Great Bredwyn in Wiltshire geboren. Er studierte die Medizin in Oxford und ließ sich dort auch als Arzt nieder. Später erhielt er die Doktorwürde; 1660 wurde er Professor und lehrte an der Universität von Oxford Naturphilosophie; er war Mitbegründer der Royal Society. 1667 ließ er sich in London nieder, wo er großes Ansehen genoß, wurde in das Royal College of Physicians aufgenommen und schließlich zum königlichen Leibarzt berufen. Er zeichnete sich als genauer klinischer Beobachter und Verfasser bemerkenswerter Abhandlungen aus. Im Jahre 1675 starb Thomas Willis und wurde in der Westminster Abbey bestattet. Thomas Willis, dachte ich mir, war offenbar ein hochgelehrter Mann gewesen, dessen Befunden man zweifellos vertrauen konnte. Der erste Teil des Buches war der längste und mühsamste, und ich entdeckte darin nichts, was mit der Familie Pemberton in irgendeinem Zusammenhang hätte stehen können. Die folgenden Kapitel waren so wissenschaftlich, daß ich nichts verstand und rasch zum letzten >Medizinische Praxis< überging, jenem Kapitel, in dem unterschiedliche Fieberkrankheiten beschrieben wurden.

Während die Uhr gleichmäßig tickte und der Wind an meinen Fenstern rüttelte, begann ich, mich durch die in veraltetem Stil niedergeschriebene Abhandlung zu arbeiten.

«XIV. Kapitel — von seuchenartigen und heimtückischen Fiberkrankheiten

Da wir nunmehr die Natur der Seuche aufgezeigt haben, sollten wir, der Ordnung unserer Abhandlung gemäß, zu jenen Krankheiten fortschreiten, die ihr dem Wesen nach am nächsten sind, nämlich vor allem solche Fiberkrankheiten, die man als seuchenartig und heimtückisch bezeichnet. Es ist allgemein bekannt, daß Fiberkrankheiten zuweilen weit um sich greifen und an Heftigkeit der Symptome, an Tödlichkeit und Ansteckungskraft der Seuche kaum nachstehen; jedoch, da sie nicht mit solcher Sicherheit wie die Seuche die Erkrankten hinwegraffen und auch nicht in so hohem Maße ansteckend sind, verdienen sie nicht den Namen der Seuche, sondern werden als seuchenartiges Fiber bezeichnet. Daneben gibt es Fiberkrankheiten anderer Art, deren Bösartigkeit und Ansteckungskraft geringer zu sein scheinen.«

Ich blätterte weiter. Es folgten Beschreibungen verschiedener seuchenartiger Krankheiten, die, wenn sie einmal ausbrachen, zahllose Opfer forderten. Ich las aufmerksam und genau, aber ich fand nichts, was mir von Belang erschien.

Als ich das Buch schon schließen wollte, fiel mein Blick auf folgenden Satz:»Es gibt jedoch noch eine andere

Fiberkrankheit, die in ihren Symptomen von der Pest abweicht; sie ist nämlich nicht seuchenartiger Natur.«

Diese letzte Feststellung machte mich hellhörig. Ich zog die Lampe näher heran und las auf der nächsten Seite weiter.

«Als dieses Fieber das erstemal auftrat, zeigte sich, daß es nicht zu heilen ist und unweigerlich zum Tode führt. Seine

Geschichte beweist, daß diese Krankheit, die wir als Gehirnfieber bezeichnen und die auf heimtückische Weise mit dem Auftreten außerordentlich bösartiger Symptome immer wiederkehrt, auf gewisse belastete Familien beschränkt ist. Eine besondere Beobachtung machte ich um die Sommersonnenwende am Sohne Sir Geoffreys von Pember Town, einer Gemeinde südlich von London. Mir wurde berichtet, daß der hochgeschätzte Sir Geoffrey das gleiche Schicksal erlitten hatte, das dem Sohn drohte, der nunmehr von den Symptomen des Fiebers gepeinigt wurde, nämlich Delirium, Wahnsinn, Raserei, Abgestumpftheit, Schläfrigkeit, Schwindelgefühle, Zittern der Gliedmaßen und krampfartige Zuckungen und verschiedene andere Störungen. Alle diese wiesen auf die schwere Verletzung des Gehirns. Nach dem Tod des Vaters und des Sohnes hatte ich Gelegenheit, die Gehirne beider zu untersuchen, da ich von Amts wegen die Genehmigung erhielt, die Natur der Pember Town Krankheit zu erforschen, und ich entdeckte eine Giftgeschwulst. Dieses Geschwulst wucherte im Gehirn und zerstörte die Blutgefäße, so daß keinerlei Mittel halfen und die Opfer von der Krankheit nicht befreit werden konnten. In dem Haus auf dem Hügel, wo Sir Geoffrey und sein Sohn der Krankheit erlagen, leben noch andere Mitglieder der heimgesuchten Familie, die das gleiche Schicksal erleiden werden, denn es ist Gottes Wille, daß der Tumor geboren wird und wächst, daß die Behandlungen der Ärzte nichts gegen ihn fruchten und das Gehirnfieber oder >Pember Town Fieber< sich den geläufigen Arzneien nicht beugt.«

Lange saß ich, das aufgeschlagene Buch auf meinem Schoß, reglos da und starrte auf die letzten Worte. Über diesen kurzen Bericht hinaus, der 1674 geschrieben war, erwähnte Thomas Willis nichts über das sogenannte Gehirnfieber. Die nächste Seite begann mit den Worten, >Ein häufiges Symptom bei

Fibererkrankungen ist Diarrhöe. <; das Folgende hatte mit der Krankheit der Familie Pemberton nichts mehr zu tun. Dieses kleine Beispiel war, wie die anderen in diesem Buch, knapp und eindrucksvoll und brauchte keine weiteren Erläuterungen. Thomas Willis, seinerzeit ein berühmter Arzt, war auf dem Gebiet der Fieber- und Gehirnerkrankungen eine Persönlichkeit gewesen und war nach Pemberton Hurst gerufen worden, um die hier ansässige Familie zu behandeln. Die Pemberton Krankheit war keine Seuche; sie traf immer nur diese eine Familie.

Mir traten Tränen in die Augen. Es stimmte also. Seit zweihundert Jahren oder mehr war die Familie mit dieser grauenvollen Krankheit geschlagen, und es gab kein Entrinnen.

Ich weiß nicht, wann ich endlich vom Sofa aufstand und zu Bett ging. Ich weiß nur noch, daß schon das Morgenlicht durch die Ritze zwischen den Vorhängen fiel und die besondere, durchdringende Kälte des frühen Morgens mich frösteln machte. Ich hatte die ganze Nacht gelesen. So hoffnungslos, wie ich mich in meinem Leben noch nie gefühlt hatte, kroch ich unter die Decke und lag lange Zeit wie versteinert. Vor meinen Augen stand das Bild von Thomas Willis, dem Mann, der die Pemberton Krankheit entdeckt und beschrieben hatte, und ich wußte nicht, ob ich ihn dafür verfluchen oder segnen sollte. Immerhin wußte ich nun, dank seiner Darstellung, den Grund für die Angst in dieser Familie. Ich hatte jetzt die Erklärungen, nach denen ich gesucht hatte. Es gab tatsächlich den Wahnsinn der Pembertons, und er nistete in einem Gehirntumor, dessen Keim jeder Nachfahre Sir Geoffreys von Pember Town bereits in sich trug.

Auch mein Vater war also ein Opfer dieser Krankheit gewesen. Und im Delirium hatte er zuerst seinem eigenen Sohn und dann sich selbst das Leben genommen. Der Tumor hatte meinen Großonkel Michael und meinen Großvater umgebracht und hätte auch Colins Vater getötet, wäre dieser nicht vorzeitig durch einen Unfall ums Leben gekommen. Und jetzt hatte die schreckliche Krankheit ihre Hand nach Henry ausgestreckt.

Ich hatte Beweise gewollt, und nun hatte ich sie. Wissenschaftliche Beobachtungen, die von einem glaubwürdigen Mann niedergeschrieben worden waren.

Begann auch in meinem Kopf der Tumor schon zu wachsen, oder lag der Keim des Todes noch im Schlaf? Würde er schon bald wuchern wie ein übles Gewächs der Verderbnis, oder würden mir vielleicht noch viele Jahre bleiben, ehe das Schicksal zuschlug?

Und Martha, und Theo. Wieviel Zeit hatten sie noch? Würden sie, wie Sir Johns Bruder Michael, der Krankheit schon in ihren Dreißigern erliegen, oder würde sie es erst später treffen?

Und Colin? Ich begann zu schluchzen. Lieber Gott, auch Colin war verloren; auch in seinem Gehirn keimte der heimtückische Tumor, der ihn eines Tages in den Wahnsinn und in den Tod treiben würde. Colin.

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