20 Ein zweiter Besuch – und ein letzter Ruf

Ein blasses Licht fiel auf Bellinard, als ich die Stadt ein zweites Mal aus der Ferne betrachtete. Die Einlaßbegehrenden am Tor bewegten sich langsam vorwärts. Allerdings waren es beträchtlich weniger, als beim erstenmal. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen, das Tor würde geschlossen werden, und wir würden in die Stadt eindringen, um den Kristall zu holen.

Viele Stunden waren wir unterwegs gewesen, aber die lange Reise hatte uns kaum ermüdet. Zu meinem großen Erstaunen befand sich Inala noch immer bei uns. Sie war zäher, als ich erwartet hatte. Die erste Nacht war die schlimmste für sie gewesen, denn wir hatten auf der nackten Erde geschlafen, ohne alle die Bequemlichkeiten, an die die Städter gewohnt sind. Vor Erschöpfung war sie schnell eingeschlafen, aber die Kälte der Nacht hatte sie öfter aufgeweckt. Meine Kriegerinnen und ich hatten abwechselnd Wache gestanden. Als der neue Morgen kam, waren wir auf Jagd gegangen und hatten uns bald mit Fleisch eingedeckt. Es dauerte nicht lange, so fanden wir auch die Spur eines Lenga. Ohne Pfeil und Bogen mußten wir ihn in der Falle fangen, aber innerhalb von drei Tagen besaßen wir genügend Pelze, um alle in der Nacht zu wärmen.

Am schwersten hatte Inala sich daran gewöhnen können, rohes Fleisch zu essen, aber wir konnten es nicht wagen, Feuer anzuzünden. Früh am fünften Tag kamen wir an einer Hügelkette vorbei, auf der eine Herde wilder Kand graste. Binat und Gimin fingen mit der Strickleiter eines ein und lehrten es, einen Reiter auf seinem Rücken zu tragen. Mit einem zahmen Kan konnten wir leicht eine Handvoll weiterer einfangen, und so waren wir bald alle beritten.

Wieder hatte Inala zuerst einige Schwierigkeiten, lernte aber bald, sich auf dem Rücken des Kan zu halten, so wie sie alles recht schnell lernte. Meine Kriegerinnen waren zunächst verwundert über ihre Gegenwart gewesen, nahmen die Stadtfrau aber bald voll in ihrer Mitte auf. Sie besaß nicht die Fähigkeiten, über die alle Hosta verfügten, zeigte sich aber sehr anstellig. Gimin gesellte sich zu mir und studierte gleichfalls aufmerksam die Mauer. »Es ist alles vorbereitet, Jalav«, sagte sie. »Wir müssen nur auf den Einbruch der Dunkelheit warten.« Ich nickte stumm. Vor uns, in den Mauern von Bellinard, lag der Kristall, den wir suchten, aber auf unserem Weg hierher hatten wir keinerlei Zeichen von den Männern entdeckt, die sich vor uns befinden mußten. Mir kam der Gedanke, daß sie in eine ganz andere Richtung geritten sein mußten, und das beunruhigte mich zutiefst. Sobald wir den Kristall in unserer Hand hatten, würde ich alleine weiterreiten und den Jäger Ceralt suchen. In der Zwischenzeit bat ich Mida, ihn zu schützen, bis ich dazu in der Lage war. Die heimatlichen Zelte der Hosta würden leer sein ohne den Mann, nach dem ich so verlangte. Zusammen mit Gimin ritt ich dorthin zurück, wo die anderen auf uns warteten. Inala bereitete eifrig das Nilno zu, das wir für sie gejagt hatten. Sie sollte bei unseren Kand bleiben, bis wir zurückkehrten. Wir hatten großes Glück gehabt, daß sie sich bei uns befand, denn sie war es gewesen, die schließlich hinter den Sinn der geheimen Botschaft gekommen war. Daß man ihn im Boden des Kerkers im Palast vergraben hatte, war uns allen klar gewesen. Was bedeutete aber: »Fünfzig Schritte vom ersten entfernt« ? Inala war es, die gefragt hatte, ob es nicht fünfzig Schritte vom ersten Tor entfernt heißen könnte. Da erinnerten wir uns, mit Ausnahme von Gimin, an die Metalltore, hinter die man uns eingesperrt hatte. Hinter einem solchen Tor also lag der Kristall vergraben und wir mußten sehen, wie wir ihn dort herausholten. Inala sollte uns also mit den Kand an den Höhlen, wo wir sie versteckt hatten, erwarten. Sollten wir bis zu der Zeit nicht zurück sein, wo sie nichts mehr zu essen hatte, dann war sie frei, das zu tun, was sie wollte. Darüber war sie nicht sehr erfreut, aber sie sah ein, welche Gefahren die Hosta erwarteten, und schwieg deshalb.

In der Dunkelheit, noch vor dem Erscheinen des Eingangs zu Midas Königreich, verließen wir sie und machten uns schweigend auf den Weg nach Bellinard. Ich machte mir mehr Sorgen um Ceralt als um das, was uns in Bellinard erwartete, und auch Larid schien sich um Telion zu sorgen. Selbst Fayan, obwohl sie nichts sagte, schien bekümmert. Gimin und Binat, die mit ihren Männern unzufrieden waren, waren hingegen nur gierig darauf, wieder in die Heimat der Hosta zurückkehren zu können. Wir alle besaßen unsere Amulette, so daß wir uns um den Ausgang des bevorstehenden Kampfes wenig Sorgen machten. Wir würden Midas Befehle erfüllen, und dann würden wir unsere eigenen Wege gehen.

Schnell hatten wir die Mauer erklettert, ließen uns hinab und fanden leicht den Weg zum Palast. Nur wenige Männer waren noch unterwegs, und diese sahen und hörten nichts, wie alle Städter. Den Palast umschlichen wir vorsichtig auf der Suche nach einem Einlaß, der nicht bewacht war. Endlich fanden wir, was wir suchten.

Vor einem kleinen Einlaß standen nur zwei Wächter, die plötzlich unser Schwert an der Kehle fühlten; wir zwangen sie in den Einlaß hinein, dann mußten sie ihre Kleidung aus Leder und Metall ausziehen. »Einer von euch«, sagte ich kalt, »wird uns begleiten, der andere bleibt hier. Euer beider Leben ist verwirkt, wenn ihr versucht, uns zu verraten. Ist das klar?« Die Männer sahen sich an und nickten dann schweigend. Ich wußte nicht, warum sie so erschrocken aussahen. Vielleicht erinnerten sie sich noch an unseren ersten Besuch. Wenn dem so war, konnte es nur gut sein, denn in ihrer Todesfurcht würden sie keinen Widerstand leisten.

Der erste bekam seine Kleidung und seine Waffen zurück, den zweiten ließen wir wohlverschnürt in der Obhut von Binat zurück. Er sah den ersten bittend an. Dieser nickte, um anzudeuten, daß er keinen Verrat versuchen würde. Ich schenkte diesem Nicken wenig Beachtung, denn ich wußte, wie wenig man Männern aus der Stadt vertrauen konnte. Er wagte aber keinerlei Verrat.

Larid, Fayan und ich legten unsere Schwertgehänge ab, nahmen die Dolche fest in die Hand und gingen mit auf den Rücken gelegten Händen dem Wächter voran, so, als seien wir gefesselt. Die Wächter, die vor dem Tor standen, das in die Tiefe führte, nahmen auch tatsächlich an, wir seien Gefangene, die frisch eingeliefert würden. Gimin folgte heimlich in einiger Entfernung, um im Notfall eingreifen zu können. Dies war aber nicht nötig, denn die Wächter vor dem Tor fielen schneller unserer Klinge zum Opfer, als der, der uns begleitete, auch nur einen Warnlaut hätte ausstoßen können. Danach gesellte sich Gimin wieder zu uns. Wir zogen die Leichen in den Schatten und gingen weiter.

Larid und Gimin sandten wir voraus. Auch Larid war jetzt mit einem Schwert bewaffnet. Sie versteckten sich so, daß man sie aus der Öffnung in der Tür nicht sehen konnte. Fayan und ich gingen wieder vor dem Wächter her, als seien wir gefesselt. Auf den Klang unserer Schritte hin blickten die Wächter, die innen standen, durch die Öffnung, und öffneten dann das Tor. Im nächsten Moment lagen sie in einer großen Blutlache auf dem Boden. Gimin und Larid säuberten ihre Schwerter, und wir traten alle ein und verriegelten das Tor hinter uns. Gimin ließen wir am Tor mit dem verbleibenden Wächter zurück, während Fayan, Larid und ich uns mit einer Fackel auf die Suche machten. Genau fünfzig Schritte machten wir vorwärts. Der Gestank peinigte wie beim erstenmal unsere Nasen, die Steine waren kalt und schleimig unter unseren Füßen. Nach den fünfzig Schritten standen wir vor einem Dilemma. Es gingen gleich zwei Wege nach links ab, und uns blieb nichts anderes übrig, als sie beide zu untersuchen. Der erste endete nach zwanzig Schritten in einer leeren Zelle, in der wir keinerlei Anzeichen auf den Kristall entdecken konnten. Der zweite Weg endete gleichfalls vor einer Zelle, die aber nicht leer war. An einer Wand angekettet, sich ängstlich vor dem Licht unserer Fackel duckend, saß eine Gestalt, die einmal ein Mann gewesen war. Jetzt war er nur noch ein wimmernder Haufen aufgedunsene Haut und klappernder Knochen. Weder Kleidung noch Haare bedeckten seinen Körper, der aber von unzähligen Scarmbissen übersät war. Auch seine Hände und Füße hatten die Scarm angenagt, selbst sein Gesicht hatten sie nicht verschont.

Larid mußte sich von dem Gestank, der von diesem lebenden Leichnam herrührte, heftig übergeben, und auch mir wurde schrecklich übel. Ich wußte, was zu tun war. Mit einem Stich meines Dolches beendete ich das Leben dieses Unglückswurms. Danach begannen wir mit der Suche.

Fast war sie vergeblich. Lange suchten wir, ohne den Kristall zu finden, bis mein Blick auf das Wasserrinnsal fiel, das durch die Wand drang. Wo das Wasser auf dem Boden auftraf, hatte es eine Höhlung geformt, und in dieser Höhlung schien es sehr viel trüber zu sein. Rasch sprang ich hin und griff hinein – und hatte den Kristall in der Hand. Trotz der langen Zeit, die er dort gelegen haben mußte, war er unbeschädigt. Ich legte ihn in den kleinen Beutel, der zu diesem Zweck um meinen Hals hing, und dankbar verließen wir diese Stätte des Todes. Gimin war höchst erleichtert, als wir unversehrt zurückkehrten, und ebenso erleichtert stiegen wir wieder an die frische Luft, die wir mit vollen Zügen einatmeten. Der Mann in unserer Mitte zitterte vor Furcht, denn wir hatten ihm seine Waffen wieder abgenommen, und er wußte wohl, daß seine Nützlichkeit für uns ein Ende gefunden hatte. Doch sind die Hosta nicht undankbar. Er hatte keinen Versuch gemacht, uns zu verraten. Deswegen wurde er nur neben seinem Kameraden gefesselt und bekam wie er einen Knebel, damit sie sich nicht zur Unzeit bemerkbar machen konnten. Binat schien mir irgendwie sehr vergnügt zu sein, und ich nahm an, daß sie während unserer Abwesenheit von dem Gefangenen Gebrauch gemacht hatte, aber das war jetzt unwichtig.

Leise und vorsichtig entfernten wir uns von dem Palast, und unbemerkt verließen wir die Stadt. Mit riesiger Begeisterung kehrten wir dorthin zurück, wo Inala auf uns wartete. Nur Larid war noch etwas blaß von dem Erlebnis in der Zelle, aber das kam daher, weil sie wieder ein Kind trug, wie sie uns verriet. Darüber waren wir alle hocherfreut, deutete doch ihre Empfindlichkeit an, daß das Kind unter ihrem Herzen ein Mädchen sein konnte. Die Tatsache, daß wieder eine Hosta unterwegs war, ist immer ein Grund zur Freude, und so kamen wir äußerst fröhlich bei den Höhlen an. Die Höhlen lagen oberhalb des Bodens und konnten über einen schmalen Pfad erreicht werden, der zwischen den Felsen hindurchführte. Aus Gewohnheit näherten wir uns diesem Pfad sehr vorsichtig, jedoch nicht vorsichtig genug. Lautlos fielen Netze auf uns, und ehe wir zu unseren Waffen greifen konnten, waren die Männer schon über uns. Wir wurden entwaffnet und in die Höhlen gezogen. Fackeln flammten überall auf, und vor uns standen Galiose, Telion, Ceralt, Nidisar und viele andere Männer aus Ranistard. Inala lag gefesselt und geknebelt in einer Ecke. Große Trauer sprach aus ihren Augen. Galiose lachte herzlich und sagte: »Welch prächtige Fische sind uns denn da ins Netz gegangen? Sollten sich vielleicht sogar noch andere Schätze im Netz gefangen haben?« Die Männer, die mich hielten, wickelten mich aus dem Netz und nahmen mir den Beutel mit dem Kristall ab. Galiose sah hinein und sagte: »Prächtig gemacht, wirklich prächtig!« Dann gab er einen Wink, daß auch die anderen aus ihren Netzen befreit wurden, und fuhr fort: »Für die Mühen, denen ihr euch zugunsten unserer Stadt unterzogen habt, werdet ihr alle großzügig belohnt werden. Mit dem Anbruch des neuen Tages werden wir zurückkehren. Nun ruht euch aus.« Mit großer Zufriedenheit wandte er sich ab, und ich verspürte die gleiche Übelkeit wie drunten im Kerker. Deshalb hatten wir keine Spur von den Männern gefunden, weil sie nicht vor uns, sondern hinter uns ritten. Sie hatten überhaupt nicht gewußt, wo der Kristall zu finden war, sondern lediglich darauf gewartet, daß ihn die dummen Hosta für sie holen würden. Wie ein harmloses Kind hatten sie mich hereingelegt. »Ich bin sehr erleichtert darüber, daß du unverletzt bist«, sagte jemand zärtlich. Als ich aufblickte, stand Ceralt vor mir, der mich mit großer Freude in die Arme nahm. Aber seine Lippen fanden auf meinen keinen Widerhall. Ich hatte mich um seine Sicherheit gesorgt, aber er hatte mich hintergangen! Wenig Wahrheit steckt hinter den Worten der Männer, das hatte ich erneut gelernt.

Wortlos stieß ich ihn von mir und ging hinüber zu Inala, die tränenüberströmt in der Ecke lag. Sie schien sich echt zu schämen über das, was geschehen war, obwohl sie doch keine Schuld hatte. Sie hätte nichts gegen die vielen Männer ausrichten können, erklärte ich ihr, als ich sie losband. Danach saßen sie und ich und meine Kriegerinnen schweigend beisammen, ohne die Männer auch nur eines Blickes zu würdigen. Wieder einmal waren die Hosta von den Männern betrogen worden, und niemand außer Mida konnte hier noch etwas ausrichten.

Eilig kehrten wir nach Ranistard zurück, denn Galiose war begierig, den dritten Kristall den beiden anderen hinzuzufügen. Die Hosta und auch Inala wurden auf ihren Kand festgebunden, denn wir hatten am ersten Tag zu entkommen versucht. Jede war in eine andere Richtung geritten, in der Hoffnung, daß auf diese Weise wenigstens einige von uns entkommen könnten, aber zu viele Männer hatten uns verfolgt. Bald waren wir wieder gefangen und wurden auf den Kand festgebunden. Ceralt war sehr ärgerlich, als er das Leder um meine Handgelenke knüpfte, aber ich gab nichts um seinen Ärger. Auch redete ich nicht mit ihm, noch sah ich ihn an, obwohl er viele Versuche unternahm, wieder mit mir zu sprechen; und Larid tat das gleiche mit Telion. Nur Fayan brauchte ihr Verhalten gegenüber Nidisar nicht zu ändern. Nidisar schien sehr erfreut darüber, daß es nun Ceralt und Telion genauso ging wie ihm. Die Nächte verbrachte ich an Ceralts Seite. Unsere Lengapelze lagen nebeneinander, aber er fand wenig Echo auf seine Zärtlichkeiten, und bald unterließ er sie. Die beiden Jäger und der Krieger ritten tagsüber zusammen, die Leinen unserer Kand in der Hand und Mißmut auf ihren Zügen. Allen dreien hatten die Hosta gezeigt, was sie von ihnen hielten, und das war nicht sehr viel.

Galiose sorgte auch für Aufregung, da er Gefallen an Inala gefunden hatte. In der ersten Nacht hatte er sie auf seinen Schlafpelz genommen, aber die kleine Stadtfrau weigerte sich standhaft, ihm zu Gefallen zu sein, was ihn sehr ärgerte. Die Wälder hallten von seinen Schreien wieder, als er sie gegen ihren Willen nahm, und sie ihre Zähne in seine Schulter grub. Verärgert schickte er sie fort und übersah zwei Tage ihre triumphierenden Blicke. Am Abend des dritten Tages warf er sie über seine Schulter, ging in den Wald hinein und befahl, ihm möge niemand folgen. Nicht einmal einen Lengapelz nahm er mit, trotzdem kehrte er erst im Morgengrauen wieder zurück. Inala schien viel ruhiger, als sie zurückkehrten, und mißtrauisch waren die Blicke, die sie Galiose zuwarf. Die nächsten drei Nächte geschah dasselbe, dann erst erfuhr ich von Inala, was passiert war. Galiose hatte nicht wieder den Versuch gemacht, sie zu nehmen, aber er hatte sie jedesmal ausgezogen und sich neben sie gelegt. Wenn die Kühle der Nacht sie überfiel, hatte er sie in die Arme genommen und gewärmt, mehr nicht. Aber in der letzten Nacht war er nicht selbst gekommen, sondern hatte gewartet, bis sie sich zu ihm flüchtete. Schon bald, das wußte sie, würde sie seiner Nähe nicht mehr widerstehen können. Sie wußte nicht, was sie tun sollte.

Ich konnte ihr keinen guten Rat geben, denn zu stark war noch die Erinnerung in mir an die Nächte mit Ceralt vor seinem Verrat. Ich wußte, daß Inala Galiose nicht mehr lange würde widerstehen können, und um so größer wurde meine Traurigkeit.

Der Anblick von Ranistard wurde von allen freudig begrüßt, am meisten jedoch von Telion. Einige Tage zuvor war es Larid übel geworden, und danach konnte sie nichts mehr essen, selbst Fleisch nicht, sei es roh oder gegrillt. Jeder der Jäger hatte sich eifrig bemüht, etwas zu finden, was ihr schmeckte, doch schien »gebratenes Lellin das einzige zu sein, von dem sie hin und wieder etwas hinunterbekommen konnte. Felion hatte sie von ihrem Kand losgebunden und sie vorsichtig auf den Sattel gesetzt. Mit besorgter Miene hielt er sie verzweifelt in seinen Armen. Sie lag meist mit geschlossenen Augen an seiner Brust und atmete unregelmäßig. Große Qualen mußte sie erleiden, obwohl sie das nicht zu erkennen gab. Ich fühlte eine tiefe Verzweiflung in mir, denn die Strafe für unser Versagen hätte mir gelten sollen, nicht ihr. O Mida, werden wir denn niemals Gnade in deinen Augen finden? In Ranistard wurde Larid sofort in den Palast des Hohen Senats geschafft und Fayan, ich, Ceralt und Nidisar angewiesen, uns um sie zu kümmern. Inala durfte auf Befehl von Galiose nicht in das Haus von Ceralt zurückkehren, sondern mußte bei ihm bleiben. Sie hatte große Sorgen, daß er sie als Sklavin behandeln würde, denn sie hatte tiefe Gefühle für ihn entwickelt und wollte ihm in Freiheit dienen, da, wie sie meinte, ihre Liebe schon Sklaverei genug sei.

Gimin und Binat waren am Tor von den Männern in Empfang genommen worden, denen sie davongelaufen waren. Sie hatten eine grimmige Miene aufgesetzt, die Krieger des Hohen Senats, und doch konnte man sie wahrlich kaum Krieger nennen, da sie meinen Kriegerinnen so wenig kriegerisch vorgekommen waren. Jetzt hatten sie die beiden zornig an den Haaren von ihren Kand gezogen und sie nach Hause geschleift, wobei sie etwas von Hieben gebrummt hatten, die weggelaufenen Frauen gebührten.

Im Palast trug Telion Larid zu Phanisar und bat uns, auf ihn zu warten. Bald gesellte er sich wieder mit Schmerz in den Zügen und Verzweiflung in den Augen zu uns. Mehr als zwei Stunden vergingen, ohne daß einer von uns ein Wort sprach. Oft wanderten meine Augen zu Ceralt, der grübelnd vor sich hin starrte, einen Becher Renth in der Faust. Immer wieder mußte ich mir in Erinnerung rufen, daß dieser dunkelhaarige, helläugige Jäger mich betrogen hatte, und immer wieder überfiel mich der Schmerz ob dieser Tatsache. Gerne hätte ich den großgewachsenen Mann zärtlich berührt, mich von ihm trösten und mir versichern lassen, daß er mehr um mich gab, als nur eine Gefährtin zur Stillung seiner Begierden zu sein. Aber es ging nicht, er hatte mich zu sehr hintergangen. Tränen flossen mir aus den Augen, ohne daß ich es wollte. Unwillig wandte ich mich ab, aber der Jäger hatte es schon bemerkt. Mit einem unterdrückten Schrei sprang er von seinem Sitz auf, als Phanisar in der Tür erschien und alle im Raum mitten in der Bewegung erstarrten.

Fayan war die erste, die die Sprache wiederfand. Zögernd fragte sie: »Ist sie... noch am Leben?«

»Aber natürlich«, erwiderte Phanisar freundlich, »ist sie noch am Leben. Sie war nur sehr erschöpft, das ist alles. Der Verlust ihres vorhergehenden Kindes hatte sie zu sehr geschwächt. Aber mit etwas Ruhe und Pflege wird sie bald wieder wohlauf sein.«

»Dank sei der Erhabenen Einzigkeit!« stieß Telion hervor, dann fragte er: »Aber was meint Ihr damit, wenn Ihr von dem vorhergehenden Kind sprecht?«

»Nun«, entgegnete Phanisar lächelnd, »sie trägt wieder ein Kind unter dem Herzen, und sie hat mir ausdrücklich versichert, daß es Euer Kind ist.«

»Mein Kind«, sagte Telin verwirrt, dann jubelte er: »Mein Kind! Es ist mein Kind!« Mit einem fast irren Lachen rannte er aus der Tür. Ich war etwas verwundert über sein Benehmen und die Behauptung, daß es sein Kind sei, denn jedermann mußte doch darüber Bescheid wissen, daß es nicht sein, sondern Larids Kind war. Männer können nun einmal keine Kinder bekommen.

Phanisar sah uns alle im Raum bedeutsam an und sagte: »Ich nehme an, ihr wollt dabei sein, wenn die kleinen Menschen wieder mit den großen Göttern reden. Das Gerät ist bereit. Ich will nur noch abwarten, bis man Larid fortgeschafft hat.« Fayan und ich blickten uns zweifelnd an, aber es konnte ja möglich sein, daß Mida mit der Einladung einverstanden war, also gaben wir zögernd unsere Zustimmung. Auch die Männer bekundeten ihr Interesse, und so gingen wir zur Tür, als Phanisar uns zurückrief. Er hielt die beiden Becher mit Renth in der Hand, aus denen wir vorher getrunken hatten, und sagte: »Auf guten Renth sollte man nicht verzichten. Trinkt ihn aus, falls es euch nicht zuviel ist.«

Wieder wechselten Fayan und ich Blicke, dann nahmen wir die Becher und tranken sie in einem Zug leer. Fayan zeigte keine Reaktion, aber mein Renth schien im Becher sauer geworden zu sein, so bitter schmeckte er. Ich verzog das Gesicht. Phanisar lachte und sagte: »Wie ich sehe, hat dir der Renth nicht geschmeckt. Ich werde dir so etwas nicht wieder zumuten. Gehen wir nun nach oben?«

Irgendwie kam mir Phanisar verdächtig vor, aber ich konnte meinen Verdacht nicht genau begründen. Ich dachte darüber nach, als wir uns in den Raum mit dem Gerät begaben, aber nichts geschah mit mir. Ceralt beobachtete mich sehr aufmerksam, machte aber keinen Versuch mehr, sich mir zu nähern. Einerseits hätte ich es gerne gehabt, andererseits machte es mich unsicher, aber viele Dinge machten mich neuerdings unsicher, und ich war keineswegs glücklich darüber. In dem Raum mit dem Gerät standen viele bewaffnete Männer, unter ihnen auch Galiose. Er näherte sich uns freundlich und sagte: »Ich war erfreut, zu hören, daß es der rothaarigen Kriegerin wieder besser geht. Auch Inala, meine Frau, wird sich darüber freuen, denn sie kann die Kriegerin sehr gut leiden.«

»Sprecht Ihr von der Sklavin Inala ?« fragte Ceralt verwundert. Galiose lachte und erwiderte: »Sie ist keine Sklavin mehr, denn sie hat mich ganz entschieden darauf hingewiesen, daß sie eher tot als Sklavin sein wolle. Was blieb mir anderes übrig, als sie freizugeben?«

»In ein paar Tagen«, fuhr Galiose fort, »werden wir noch mehr Anlaß zur Freude haben. Ein Bote brachte mir die Nachricht, daß diejenige, die die Silla holen sollten, bald hier sein werden. Meine Männer warten schon begierig auf sie, denn bei den Silla soll es sich um wirklich prächtige Weiber handeln.« Wieder sahen Fayan und ich uns an, diesmal sehr bekümmert. Wir hatten ganz vergessen, daß die Silla kommen sollten, und mußten unbedingt eine Möglichkeit finden, unsere Kriegerinnen vor ihrer Ankunft zu bewaffnen. Wir brannten darauf, ihnen mit dem Schwert in der Hand gegenüberzutreten, aber erst einmal mußten die Schwerter gefunden werden. Phanisar hatte inzwischen das Gerät näher untersucht. In der goldenen Luft schwebte nun auch der dritte Kristall. Mir war überhaupt nicht wohl bei seinem Anblick, und so näherte ich mich ihm nur zögernd, als Phanisar mich und Fayan heranwinkte.

Er zeigte auf ein Bild an der Seite des Gerätes und sagte: »Seht euch das an. Die Schrift hier nennt es eine ›Bedienungstesteinrichtung‹. Obwohl ich hinter den Sinn dieses Kauderwelsches noch nicht gekommen bin, habe ich herausgefunden, daß es dazu dient, festzustellen, ob diejenige, die das Gerät bedient, auch dafür geeignet ist. Vistren in seinem Irrwahn hatte nicht erkannt, daß nur eine Frau durch das Gerät sprechen kann, sonst hätte er bestimmt dafür gesorgt, daß nicht so viele Frauen sterben mußten. Ich habe bereits jede Frau in Ranistard ausprobiert, bis auf die zwei, die hier stehen, und ihre Begleiterinnen, und habe nur drei herausgefunden, deren man sich in größter Not bedienen kann. Bei einer Frau, die gut geeignet ist, leuchtet ein helles Licht auf, wenn sie es berührt, aber bisher habe ich nur Frauen mit einem schwachen Licht gefunden. Vielleicht gehört aber eine von euch zu den besser geeigneten. Das wollen wir gleich einmal herausfinden. Tretet einzeln näher und drückt diesen Knopf!«

Diesmal blickten Fayan und ich uns nicht an, denn keine von uns war begierig darauf, dieses Gerät zu berühren. Ich erinnerte mich noch genau daran, welche Qualen ich bei meinem ersten Versuch erlitten hatte, und ich würde nicht so dumm sein, das noch einmal zu versuchen. Selbst wenn ich dadurch die Kristalle in meinen Besitz bringen könnte, hätte ich gezögert, denn bei so vielen Männern wäre eine Flucht unmöglich gewesen.

»Nun kommt schon«, sagte Phanisar ungeduldig. »Ihr habt nichts zu fürchten. Alle anderen Frauen vor euch haben es ohne Schaden überstanden, und ihr habt Angst?« Diese Frage weckte meinen Stolz, denn eine Anführerin der Hosta kennt keine Angst. Und wenn schon so viele meiner Kriegerinnen sich zuvor dieser gefährlichen Prozedur unterworfen hatten, dann blieb mir nichts anderes übrig, als es auch zu tun. Mit großem innerem Widerstreben trat ich vor und legte meinen Finger auf den Knopf, jedoch blieben die erwarteten Qualen aus. Nur ein leichtes Zittern ging durch meinen Körper, und ein Licht leuchtete am Gerät auf. »Besser als die anderen«, murmelte Phanisar, »aber noch unterhalb der erforderlichen Stärke. Laßt uns die andere versuchen. «

Fayan trat heran, durch mein Beispiel ermutigt, berührte sie den Knopf leicht. Sofort leuchtete ein helles Licht auf, und Phanisar stieß einen Schrei der Erleichterung aus. »Endlich haben wir unsere Senderin!« rief er.

Galiose eilte mit seinen Männern herbei und versuchte ihr umständlich ihre Wünsche zu erklären. Fayan sollte das Gerät nach ihren Anweisungen bedienen, und alle Wünsche würden ihr erfüllt werden. Nachdenklich sah sie Galiose an. »Verstehe ich Euch richtig«, fragte sie, »daß Ihr mich zwingen könnt, das Gerät zu bedienen, daß aber meine freiwillige Mitwirkung sehr viel besser wäre?«

»So ist es«, nickte Galiose, »und es wäre auch sehr viel klüger. Ich würde dir jeden einigermaßen vernünftigen Wunsch dafür erfüllen.«

»Würdet Ihr die Hosta freilassen?« fragte sie rasch, aber Galiose schüttelte entschieden den Kopf. »Nun gut«, sagte sie, »ich würde trotzdem freiwillig mitwirken, wenn Ihr mir meinen Ersatzwunsch erfüllt.« »Welchen?« fragte Galiose argwöhnisch.

»Ich möchte einen Sklaven geschenkt bekommen«, erklärte Fayan gelassen, »einen Sklaven, den ich mir selbst auswähle.« Langsam sah sie sich um, bis ihr Blick auf Nidisar haften blieb. Alle anderen Blicke im Raum wandten sich ihm zu. Es herrschte Totenstille, nur Nidisar stöhnte erschreckt auf. »Das ist doch albern!« protestierte er mit falschem Lachen. »Ich bin ein Jäger und ein freier Mann, und nicht ein Sklave, den man verschenken kann.«

Niemand antwortete ihm, und Nidisar wurde immer aufgeregter. Endlich ging Phanisar zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte:»Denke einmal an den Dienst, mein Sohn, den du Ranistard erweisen würdest! Wir würden mit den Göttern selbst sprechen, und dein Opfer würde in alle Ewigkeit gewürdigt werden! Ist solch eine große Sache dein Opfer nicht wert?«

Nidisar sah ihn verwirrt an und stotterte: »A... aber...« Doch die Sache war bereits entschieden. Auf einen Wink von Galiose legten ihm zwei seiner Männer ein metallenes Halsband an.

Hundsmiserabel sah er mit seinem Halsband aus, und ich sagte zu ihm, um sein Elend noch zu vergrößern: »Es sieht so aus, Nidisar, als ob der Speer nun endgültig gegen dich gefallen ist. Aber darf ein Sklave aufrecht stehen, so, als sei er frei?«

»Er darf es nicht«, sagte Fayan, noch ehe Nidisar antworten konnte. »Auf die Knie mit dir, Sklave! Und dort bleibst du, bis dir etwas anderes befohlen wird!«

Nidisar, bleich vor Wut, kam diesem Befehl nicht nach, so daß zwei von Galioses Männer kamen und ihn in die Knie zwangen.

Fayan und ich lachten. »Schon sehr viel besser«, sagte ich.

»Meinst du, Fayan, daß er nicht eine Tracht Prügel bekommen sollte, damit er sich nicht vergißt und dir wegläuft?«

»Ein sehr guter Gedanke«, entgegnete Fayan. »Ich werde ihm so bald wie möglich diese Prügel verabreichen, denn ich möchte wirklich nicht, daß er mir wegläuft. Es gibt so manche Dinge, für die man einen Sklaven benötigt.«

Betroffen schloß Nidisar die Augen. Ich empfand Mitleid mit ihm, denn ich wußte wohl, wie streng Fayan sein konnte. Andererseits hatte er seine Strafe verdient, deshalb wandte ich mich wieder dem Gerät zu.

»Es wird bald alles bereit sein«, sagte Phanisar zu Galiose. »Ich warte nur auf die Mitteilung, daß Larid aus dem Palast geschafft wurde. Das Ganze wird für die anderen nicht zu schmerzvoll sein, aber ihr könnte es in ihrem Zustand schaden.«

Ich freute mich gerade darüber, zu hören, daß das Gerät keine Schmerzen verursachen würde, als ich von einem wilden Schmerz im Magen ergriffen wurde und laut aufstöhnte. »Jalav!« rief Ceralt erschreckt und eilte mir zur Hilfe, jedoch ließ der Schmerz schon wieder nach. Ceralt sah ängstlich Phanisar an, der aber den Kopf schüttelte und beruhigend sagte: »Es ist nur das Gegenmittel gegen den Dablabusch. In ein paar Stunden werden die Krämpfe vorbei sein, und dann kann sie Kinder gebären genau wie jede andere Frau. Ich habe ihr das Mittel in den Renth getan, und nun beginnt es zu wirken.« Ceralt schien sehr erleichtert und sah mich freudig an, aber ich hatte noch nicht verstanden und fragte Phanisar: »Ihr sagt, ich sei jetzt in der Lage, ein Kind zu gebären?« »Du wirst es bald sein«, erwiderte er. »Das Gegenmittel wird bald wirken.«

»Aber das darf nicht sein!« erklärte ich. »Ich bin die Anführerin der Hosta in der Schlacht, und die Anführerin darf kein Leben in sich tragen!«

»Das Problem ist leicht zu lösen«, sagte Ceralt, mich in den Arm nehmend. »Du bist keine Anführerin mehr, und bald wird auch Leben in dir sein, dafür werde ich sorgen.« Die Männer ringsherum lachten, so wie Männer immer einfältig lachen, was mich noch mehr erzürnte. Jalav war keine Sklavin, der man einfach einen anderen Willen aufzwang! Auch hier in Ranistard gab es Dablabüsche. Wenn die Schlacht mit den Silla begann, würde die Anführerin der Hosta kein Leben in sich tragen!

In diesem Moment trat ein Sklave ein, um zu melden, daß Larid weggebracht worden war. Alle versammelten sich ungeduldig um das Gerät. Phanisar legte Fayan ein Band um die Stirn, von dem ein dünnes Metallband zum Gerät führte. Fayan verzog keine Miene, und doch wußte ich, daß ihr das alles großen Mut abverlangte.

Als aber Phanisar das Gerät dann kurz berührte, wurde auch mir großer Mut abverlangt, denn ein kräftiges, schmerzhaftes Zittern durchfuhr mich, und die tiefe Dunkelheit überfiel mich wieder. Diesmal schien sie noch tiefer zu sein als damals. Die Kristalle winkten mir zu, lockten mich, zogen mich unwiderstehlich an. Meine rechte Hand umklammerte mein Amulett, die linke griff hilfesuchend nach Ceralt, der mich fest in seine Arme nahm und mich vor der fürchterlichen Dunkelheit schützte.

Phanisar erklärte Fayan sanft: »Und jetzt mußt du die Worte ›hallo, kommen‹ sagen, so oft, bis eine Antwort kommt.« Und Fayan sprach mit klarer und deutlicher Stimme die Worte »hallo, kommen«, und wiederholte sie immer und immer wieder. Lange Zeit herrschte atemlose Stille. Da, plötzlich, ertönte eine Stimme aus dem Nichts, und diese Stimme sagte: »Hallo, wer dort?«

Ein Raunen ging durch die Versammelten, und Phanisar antwortete mit heiserer Stimme: »Wir senden unsere ergebensten Grüße, Hohe Frau«, denn die Stimme war unzweifelhaft eine weibliche gewesen. »Wir suchen das Gehör der Götter, und möchten mit Euren Herren sprechen, falls es möglich ist.«

»Unsere Herren?« kam das Echo. »Von welcher Station ruft ihr? Und warum redet ihr so merkwürdig?« Phanisar blickte verwirrt drein. »Ich bitte um Verzeihung, Hohe Frau«, sagte er, »aber mir fehlt das Verständnis für Eure Worte. Was ist bitte eine Station?«

»Ich verstehe absolut nicht, was hier vorgeht«, murrte die Stimme ärgerlich, »aber ich werde es schon noch herausfinden. Erstmal werde ich euch orten – ah – da!« Die weibliche Stimme schwieg betroffen, dann sagte sie atemlos: »Ihr seid ja tatsächlich in Sektor V! Von dort haben wir seit der Rebellion nichts mehr gehört! Dann wurden also eure Kristalle gerettet! Hölle und Verdammnis, wird sich Mida freuen!« »Mida!« rief ich beglückt, und die Männer sahen sich tief schockiert an. Mida regierte also da, wo die Götter wohnten, und alles geschah nach ihrem Willen!

»Wir wissen nichts von einer Rebellion«, stieß Phanisar mit zornigem Blick hervor. »Die Kristalle wurden uns von Frauen gestohlen, und nun sind sie wieder in unseren Besitz gelangt, so daß wir wieder mit den Göttern reden können. Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht!«

»Ihr armen Kerle«, sagte die Stimme, und man konnte das Mitleid heraushören, »so lange Zeit ohne Verbindung nach außen und vermutlich auch noch rückentwickelt! Vielleicht hilft es euch, mich besser zu verstehen, wenn ich euch erzähle, was geschah.

Vor etwa zweihundertundfünfzig Standardjahren wurden alle Außenstationen, so wie die, von der ihr jetzt sprecht, von den Männern beherrscht. Natürlich, nur die Frauen konnten die Sendemedien sein, aber sie waren es nur im Auftrag der Männer. Dann kam Mida und entschied, daß genug eben genug sei. So ging ein Ruf an alle Stationen, die Kristalle so lange zu verstecken, bis die Männer zur Vernunft kamen. Das dauerte eine lange Zeit – ihr Männer könnt eben sehr störrisch sein –, aber zum Schluß gaben sie doch nach, um die Union vor dem Auseinanderfallen zu bewahren. Mida übernahm die Macht, und nun haben wir Frauen das Sagen – und wir haben unsere Sache verdammt gut gemacht. Die Union ist stärker als je zuvor, und wir verfügen über eine wohlerfahrene Truppe, die demnächst zu euch rüberhüpfen und euch helfen wird, die Dinge auf eurem Planeten in Ordnung zu bringen. Ich habe euch inzwischen einwandfrei geortet, und wir werden so schnell kommen, wie wir können. Mit unseren Frauen dort werdet ihr in kürzester Zeit wieder zivilisiert sein.« Der Schock ließ die Männer noch immer sprachlos sein, so daß ich die Gelegenheit benutzte, um zu fragen: »Aber Ihr spracht von Mida. Mida ist doch bei euch?«

»Nein, meine Süße«, gab die Stimme lachend zur Antwort, »besser wäre es, zu sagen, daß ich bei Mida bin. Wir sind alle bei Mida, denn Mida bedeutet nichts anderes als ›Mut In Dunklen Abenteuern‹. Es begann als ein Club für Radioamateure, und es endete mit der Machtübernahme in der Union. Aber warte nur ab. Sobald wir dort sind, wirst du alle Einzelheiten erfahren. Du wirst es genießen, zivilisiert zu sein – ihr werdet es alle genießen.«

Wieder herrschte Stille. Auch ich schwieg betroffen. Dann sagte Ceralt langsam: »Zivilisiert. Sie wollen uns zivilisieren!« Und dann lachte und lachte er, bis ihm die Tränen kamen.

Загрузка...