Ich war bereits wach, als Ceralt und Telion die Augen öffneten. Gerade hatte ich die Leine von meinem Halsband abgebunden und versuchte, meine Hand aus dem Metallring um mein Gelenk zu ziehen, als Ceralt sagte: »Ich glaube, unsere Sklavin versucht, sich zu befreien.«
»Vielleicht macht sie sich nichts aus unserer Gesellschaft«, antwortete Telion gähnend.
»Schaffst du es nicht, Sklavin?« fragte Ceralt und legte seine Hand auf mein Bein. »Dabei ist das doch nur von Männern hergestelltes Metall, mit dem du dich so abmühst. Das kann doch nicht so haltbar sein, wie das Leder, mit dem ihr Frauen euere Gefangenen fesselt.«
Ich trat nach seiner Hand. »Ich würde kein Metall nötig haben, hätte ich die Stärke eines Mannes«, sagte ich. »Aber was kann man schon von jenen erwarten, die keine Seele haben?« Telion schlug mir ins Gesicht und sagte: »Unsere Seelen sind euren ebenbürtig!« Ich wollte auch ihn treten, aber er wich rechtzeitig zurück.
Telion reckte sich und sagte gähnend: »Ich könnte etwas Gutes zu essen vertragen. Was meinst du, Ceralt?« »Ich auch«, erwiderte dieser, richtete sich auf und schlug mich gleichfalls. »Bist du bereit für eine weite Reise, Mädchen?« fragte er mich, »Ranistard ist gar nicht so nahe.« »Kriegerinnen sind immer bereit«, entgegnete ich. Die Männer zogen sich erst selbst an, dann warfen sie mir meine Stammeskleidung zu und sahen zu, wie ich sie über der Hüfte befestigte. Dann banden sie wieder die Leine an meinem Halsband fest, entfernten aber den Metallring von meinem Handgelenk. Während ich mir das Gelenk rieb, dachte ich über die Bedeutung des kleinen Metallstückes nach, mit dem Telion diesen Ring geöffnet hatte und beobachtete, wie er es in seiner Kleidung verbarg. Vielleicht war es gar nicht nötig, sich die Hand bei dem Versuch zu brechen, sie aus dem Ring zu ziehen. Nidisar und Fayan befanden sich bereits unten, als wir wieder hinunterkamen. Nidisar saß auf der Bank, wie am Tag zuvor, und Fayan kniete wieder neben ihm. Telion zog mich neben sich auf den Boden und band mich fest. Auf allen vieren mußte ich knien und war sehr zornig darüber. »Greift zu, Freunde«, sagte Nidisar und wies auf die Tafeln mit Fleisch, die vor ihm standen. »Es ist alles frisch zubereitet.« »Und es schmeckt ausgezeichnet«, sagte Ceralt, als er sich einige Scheiben Fleisch abgeschnitten hatte. »Geht es euch auch so, daß ihr nach einer anstrengenden Nacht doppelt so hungrig seid?«
»Mir geht es auch so«, erwiderte Nidisar lachend. »Und die Nacht war verdammt anstrengend. Hier, Jalav, du solltest dich kämmen«, sagte er und hielt mir einen hölzernen Kamm hin. »Fayan hat ihn bereits benutzt, denn ich liebe keine unordentliche Frauen. Du hast ihn auch nötig.«
Fayans Haar war tatsächlich ordentlich gekämmt. Ihr Stirnband fehlte. Auch meins konnte ich nicht entdecken. Als sie mich nicht ansah, begriff ich. Ich faltete meine Arme und sah Nidisar an.
»Du hast jetzt tatsächlich einen besseren Geschmack was Kämmen angeht«, sagte ich. »Vielleicht gehörst du zu den wenigen Männern, die lernfähig sind. Gib mir den Kamm.« Mit diesen Worten nahm ich ihm den Kamm ab, so, als hätte er meinen Befehl befolgt. Fayan brach in Lachen aus, in das er, zunächst widerwillig, einstimmte.
»Oh, Jalav, du bist ein furchtbares Kind«, stöhnte er. »Ich möchte dich für alles Silber von Bellinard nicht einmal geschenkt haben.«
»Aber besitzen möchtest du sie bestimmt einmal«, brummte Ceralt, der im Gegensatz zu Telion verärgert schien. »Du kannst sie heute nacht haben, wenn du willst, Bruder. Sie muß endlich einmal lernen, wie sie sich Männern gegenüber zu verhalten hat.«
Ich sah ihm fest in die Augen und sagte: »Die Berührung von Nidisar wird eine wahre Erholung sein, nach allem, was mir letzte Nacht geboten wurde.«
Ceralt wollte auffahren, aber Telion hielt ihn fest. »Sie ist doch noch ein Kind, Ceralt, und weiß es nicht besser«, sagte er. »Sie ist kein Kind mehr«, grollte Ceralt, »und eine ordentliche Tracht Prügel würde ihr guttun. Was hältst du von meinem Angebot, Nidisar?«
»Ich werde es mir überlegen«, entgegnete Nidisar. »Und das mit den Prügeln ist gar keine schlechte Idee. Sieh her.«
Damit hielt er Fayan einen Bissen hin. Zu meiner Verwunderung preßte Fayan lediglich die Lippen zusammen. »Seht ihr«, grinste Nidisar, »sie hat inzwischen gelernt, was passiert, wenn sie ungehorsam ist. Morgen wird sie auch das Fleisch nicht mehr ablehnen.«
Die anderen lachten, während Fayan beschämt den Kopf senkte. Ich wußte nicht, was Nidisar mit ihr angestellt hatte, aber ich fühlte mich schuldig, denn der Grund für all das lag darin, daß sie tapfer bei mir ausgeharrt hatte. Die Männer beendeten ihre Mahlzeit, ohne uns etwas davon anzubieten. Ich konnte darauf verzichten, denn die Pein des Hungers hatte ich überstanden. Man stellte nur zwei Töpfe mit Wasser vor Fayan und mich. Ich wollte auch das ablehnen, als ich sah, daß Nidisar im Begriff war, Fayan zu befehlen, aus dem Topf zu trinken. Deshalb hob ich meinen an die Lippen und trank. Fayan folgte meinem Beispiel. Das Wasser war lauwarm und schmeckte irgendwie nach Metall. Aber um Fayan zu helfen, schluckte ich es kommentarlos herunter. Als ich mit dem Trinken fertig war, stand Ceralt auf, um eine lange Leine an meinen Handgelenken zu befestigen. Da ich mich schweigend wehrte, griff er ungeduldig nach meinen Armen. Ich hatte noch den schweren hölzernen Kamm von Nidisar in der Hand und warf ihn Ceralt an den Kopf. Auf so kurze Entfernung konnte er sein Ziel nicht verfehlen. Ceralt stieß einen lauten Fluch aus und griff sich an den Kopf. Ich wollte schnell aufspringen, aber die Leine, mit der ich am Tisch festgebunden war, hielt mich zurück. Telion hielt mich von hinten fest und Ceralt fesselte meine Hände, stärker, als er es wohl ursprünglich vorgehabt hatte. Dann riß er mich unsanft hoch. Dabei sagte er kein Wort, aber es war ihm anzumerken, daß er auf die Sache zurückkommen würde. Mir war das egal.
Nachdem sie mit Fayan ebenso verfahren waren, verließen wir das Gebäude. Draußen standen drei Kand, die die Männer bestiegen. Unsere Kand hatten wir nicht mehr gesehen seit dem Zeitpunkt, als man uns gefangengenommen hatte. Wir sollten sie auch nicht wiedersehen. Telion nahm die Leine zu meinem Handgelenk, Ceralt die Leine zu meinem Halsband. So mußte ich zwischen ihnen herlaufen. Fayan mußte Nidisar folgen.
Die Tore in der Stadtmauer von Bellinard standen offen. Trotzdem kamen wir nicht ungehindert hinaus. Die Wächter verlangten von den Männern irgendwelche Papiere, die sorgfältig geprüft wurden. Es waren jedoch nicht die Männer, die uns bei unserer Ankunft überprüft hatten, auch Pileth befand sich nicht unter ihnen. Trotzdem schienen sie uns zu kennen, was ich nicht verstehen konnte.
Als wir die Stadt verließen, wandten sich die Männer zunächst nach Osten, und erst, als die Stadt nicht mehr in Sicht war, nach Norden. Die Luft war frisch und klar, und ich freute mich, Bellinard hinter mir zu lassen. Allerdings wurde mir der Weg von Stunde zu Stunde beschwerlicher, denn es war nicht so einfach, mit den Kand Schritt zu halten. Fayan schien schon fast am Ende ihrer Kräfte zu sein. Die Männer hatten mit Absicht, so schien es mir, ein scharfes Tempo angeschlagen, um unseren Widerstand endgültig zu brechen. Nur bricht man den Mut einer Kriegerin der Hosta nicht so leicht. Endlich machten wir in einer Lichtung Rast. Fayan und ich wurden an einen umgestürzten Baumstamm gebunden, so knapp, daß wir nicht mit unseren Zähnen die Fesseln erreichen konnten. Als sich die Männer entfernt hatten, um die Kand zu versorgen, fragte Fayan mich besorgt: »Haben sie dich hart rangenommen, Jalav?«
»Es sind eben Männer«, entgegnete ich. »Aber ich bin nicht länger als Anführerin der Hosta geeignet.« »Das stimmt nicht!« erwiderte sie heftig. »Was sie tun, tun sie im Auftrag von Mida, deshalb hat es keine Bedeutung. Ich bin...« Plötzlich unterbrach sie sich und wandte sich ab. »Was hat er getan?« fragte ich.
Eine Zeitlang herrschte Schweigen, dann kam die Antwort, leise und zögernd: »Er hat mich geschlagen, nicht so heftig, wie du geschlagen wurdest, aber er brach meinen Stolz. Er drohte mir, daß er mich so vor den anderen schlagen würde, wenn ich ihm noch einmal nicht gehorchte. Der Schmerz macht mir nicht viel aus, Jalav, aber ich weiß nicht, was die größere Schande für mich bedeutet: ihm zu gehorchen, oder in Gegenwart der anderen geschlagen zu werden.« Ich hätte es auch nicht gewußt, also antwortete ich: »Du mußt abwägen, was dich im Angesicht von Mida beschämt, und dann das andere erdulden.«
»Im Angesicht von Mida«, wiederholte sie gedankenvoll. »Das ist gar nicht so einfach, Jalav. Oftmals habe ich gedacht, daß es sehr hart ist, zu den Lieblingen von Mida zu gehören.« »Mir ging es genauso«, seufzte ich. »Aber Mida weiß, was wir nicht wissen. Deswegen können wir uns nur so benehmen, wie wir sind. Das muß das sein, was Mida wünscht.« »Darüber muß man lange nachdenken«, meinte Fayan. »Wenn ich nur nicht so schwach wäre. Er hat mich lange in der Nacht gebraucht, und noch einmal, bevor er aufstand.« Sie schloß die Augen und lächelte. »Hätte ich ihn in den Zelten der Hosta, befreit von all seinen üblen Angewohnheiten, würde er mir großen Spaß bereiten.«
»So hat alles seine zwei Seiten«, sagte ich. »Vielleicht sollte ich wünschen, daß er für den Kamm eine Gegenleistung erwartet. «
Wir lachten beide. Dann kamen die Männer, um uns von den Fesseln zu befreien. Fayan bereitete es einige Schwierigkeiten, wieder aufzustehen, deshalb sah Nidisar sie besorgt an. »Mir gefällt nicht, wie sie aussieht, Ceralt«, sagte er. »Bevor wir weiterziehen, muß sie unbedingt etwas essen.« »Auch Jalav sieht nicht besser aus«, sagte Telion, indem er mein Gesicht in seine breiten Hände nahm. »Wann hast du zum letztenmal den Geschmack von Fleisch gekostet, Jalav?« fragte er besorgt.
»Unten in dem großen Gebäude«, sagte ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien. »Dort tötete ich die Tiere der Finsternis und aß sie.« »Unmöglich!« rief Telion voller Ekel. Auch Nidisar, der Fayan angesehen hatte, die bestätigend nickte, schien ganz übel zu sein. Selbst Ceralt wirkte bestürzt.
»Wir müssen sie beide füttern«, sagte er. »Offensichtlich besitzen sie nicht die Vernunft, um für sich selbst zu sorgen.« Telion eilte fort und brachte ein Stück Nilno. Ceralt schnitt eine Scheibe ab und hielt sie mir vor den Mund. »Das müßte zunächst langen«, meinte er. »Wenn du zuviel ißt, wirst du krank davon.« Als ich keine Anstalten machte, etwas davon abzubeißen, herrschte er mich an: »Iß!« »Jalav ißt nicht aus der Hand eines Mannes«, entgegnete ich. »Du wirst gefüttert, nicht gestraft, du halbwilde Bestie!« brüllte er. »Hast du denn gar keinen Verstand?« »Doch, eines weiß ich«, erwiderte ich. »Ich esse nicht aus der Hand eines Mannes.«
Ceralt schloß die Augen, um, so nehme ich an, einen Wutausbruch zu unterdrücken. Nidisar war gleichfalls ärgerlich, weil auch Fayan sich weigerte, von dem Nilno zu essen. Als Ceralt wieder seine Augen öffnete, sagte er: »Im Palast des Hohen Senates wurdest du für deinen Ungehorsam bestraft. Ich glaube, ich muß dasselbe tun. Entweder ißt du jetzt, oder du bekommst von mir die gleichen Schläge, die du schon einmal bekommen hast.«
In der Erinnerung tauchte wieder das Feuer auf meinem Rücken auf, trotzdem entgegnete ich: »Tu, was du willst. Ich esse dir nicht aus der Hand.«
»Nun gut«, sagte Ceralt ruhig. »Wieviel Schläge hast du bekommen, bevor du gehorchtest? Fünf? Zehn?« Ich gab keine Antwort. Fayan sagte: »Jalav, die Anführerin, erhielt erst viermal fünf Hiebe, dann dreimal fünf, und trotzdem mußten die Männer sie noch füttern. Sie hat keine Angst vor dir.«
Ungläubig stieß Ceralt hervor: »Fünfunddreißig? Mit der Peitsche?«
»Die letzten Schläge habe ich nicht mehr gespürt«, sagte ich. »Diesmal werde ich aber tapferer sein.« Um mich herum herrschte betroffenes Schweigen. Ceralt war der erste, der sich wieder fing. Er setzte mich auf den Boden, gab mir das Nilno in die Hand und sagte: »Hier, iß!« Zufrieden sah er zu, wie ich von dem Nilno aß. Auch Telion schien sehr zufrieden zu sein. Ich war verwundert darüber, wie sie ihre Haltung geändert hatten, aber Männer sind nun einmal merkwürdige Geschöpfe.
Fayan sah mir auch einen Augenblick zu, befriedigt darüber, daß ich nicht geschlagen wurde, dann sagte sie zu Nidisar: »Ich werde auch von dem Nilno essen«, und streckte ihre gefesselten Arme aus. »Gib her!«
»Auch, tatsächlich«, murmelte Nidisar. »Ich kann mich nicht erinnern, meine Meinung geändert zu haben.« Stolz wandte sich Fayan ab und sagte: »Eine Kriegerin der Hosta kommt auch ohne aus.«
»Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dir das Essen verweigert«, fuhr Nidisar fort. Er zog sie am Halsband zu sich heran, hielt die Hand mit dem Nilno hoch und sagte: »Iß, Sklavin!« »Fayan ist keine Sklavin!« zischte sie. »Du bist nur ein Werkzeug von Mida, und solltest nicht so mit mir reden.« »Ich rede, wie ich will«, entgegnete Nidisar ärgerlich. »Du solltest nicht so reden. Willst du mir gehorchen, oder muß ich dich wieder bestrafen?«
»Nein!« rief Fayan und versuchte, sich von ihm zu befreien. Als ihr dies nicht gelang, trat sie ihm heftig gegen das Bein. Nidisar grunzte vor Schmerz. Er legte Fayan übers Knie und schlug ihr vernehmlich auf das Hinterteil. Dann warf er sie auf den Boden und hielt sie dort fest. »Nun, Sklavin«, sagte er, »soll es wieder die Strafe sein?«
»Nein!« schrie Fayan ängstlich. Ich versuchte, ihr zu Hilfe zu kommen, aber die beiden Männer hielten mich fest. Fayan keuchte: »Ich will essen.«
»Auf die Knie!« befahl Nidisar. Sie zögerte kurz, dann erhob sie sich, kniete vor Nidisar nieder und sah ihn flehentlich an. Nidisar hielt ihr das Nilno vor den Mund. Sie biß ein Stück ab und kaute widerwillig. Nidisars Miene zeigte keinerlei Regung, aber Ceralt und Telion grinsten vergnügt. Als Fayan mit ihrem Stück Nilno fertig war, zog Nidisar sie hoch und sagte anerkennend: »Du bist eine wirklich folgsame Sklavin gewesen. Für dein braves Verhalten bekommst du eine Belohnung.« Damit zog er sie an sich und küßte sie. Ihr Sträuben währte nicht lange. Sicher erinnerte sie sich daran, welchen Spaß er ihr in der Nacht bereitet hatte, und schmiegte sich eng an ihn.
Nach einer Weile schob Nidisar sie von sich und sagte: »Solltest du dich weiterhin brav benehmen, wird heute nacht eine weitere Belohnung folgen. Jetzt müssen wir aufbrechen.« Er band Fayan, der anzusehen war, daß sie sich über diese Behandlung sehr ärgerte, wieder an sein Kan. Ceralt und Telion lachten und banden mich gleichfalls an ihren Kand fest. Sie teilten Wasserschläuche aus, dann ging es weiter. Wir kamen langsamer voran, trotzdem schafften wir eine gute Strecke, bevor die Dunkelheit hereinbrach. Die Männer waren von dem Weg, dem wir lange gefolgt waren, in den Wald hinein abgebogen, und Fayan und ich stolperten oft über Baumwurzeln, die wir in der Dunkelheit nicht sehen konnten. Endlich tauchten zwischen den Bäumen helle Lagerfeuer auf. Entweder hatten die Leute, die dort lagerten, keine Angst, oder sie waren dumm.
Wir hatten das Lager fast erreicht, als sich die Büsche neben uns teilten und eine Anzahl bewaffneter Männer auftauchten, die ihre Bogen auf uns gerichtet hatten. »Halt, wer da?« rief einer von ihnen.
»Ich bin Ceralt von Bellinard, der Jäger«, entgegnete Ceralt. »Wir werden erwartet.«
»Das stimmt«, war die Antwort. »Ihr könnt weiter reiten.« Die Männer traten beiseite und ließen uns durch. Einer von ihnen gab mir im Vorbeigehen einen Klaps auf den Hintern. Hätte ich noch mein Schwert besessen, wäre die Beleidigung nicht ungesühnt geblieben.
Am größten Lagerfeuer wartete ein kleiner, schmalbrüstiger Mann auf uns, dem man jedoch ansah, daß er das Schwert zu gebrauchen wußte. Er nickte Ceralt freundlich zu. »Gut gemacht, Jäger«, sagte er. »Ihr seid früher hier, als wir euch erwartet haben.«
»Wir haben die Stadt kurz nach euch verlassen«, antwortete Ceralt, »und ein gutes Tempo vorgelegt.« Der Mann lachte, musterte Fayan und mich und sagte: »Ihr müßt euren Sklavinnen gut zugeredet haben. Eure Zelte sind dort hinten, das rote und das gelbe. Ihr findet darin gebratenes Trencha und Renth. Wir brechen beim ersten Morgengrauen auf.«
»Bis dann«, erwiderte Ceralt und hob die Hand zum Abschiedsgruß. Nidisar ging mit Fayan zu dem roten Zelt, die beiden anderen führten mich zu dem gelben. »Wir sehen uns morgen früh«, sagte Nidisar. »Ich muß nun prüfen, ob ich eine Sklavin besitze, die belohnt werden will.« Damit zog er die entrüstete Fayan unter dem Gelächter von Telion und Ceralt in sein Zelt. Unser Zelt war durch Kerzen erleuchtet. Am Boden lagen weiche Lengapelze. Im Hintergrund ragte ein Pfahl aus dem Boden, an den ich wieder angebunden wurde. Während die Männer aßen und tranken und auch mir etwas abgaben, fragte Ceralt: »Ich würde gerne wissen, Telion, warum du darauf bestanden hast, die Karawane erst hier zu treffen, und warum wir erst nach Osten reiten mußten.«
»Ich hasse es, mit einer Karawane die Stadt zu verlassen«, erwiderte Telion. »Das mag keinen Grund haben, aber es ist nun mal so. Außerdem dachte ich mir, daß wir vielleicht von den Weibern unserer Sklavin hier beobachtet würden, und es gut für Ranistard sei, wenn wir sie in die falsche Richtung lenken.«
»Sehr schlau gedacht«, entgegnete Ceralt, »aber wie kann ich dann mit ihnen zusammenkommen und über die Freilassung meiner Männer verhandeln?«
»Daran habe ich nicht gedacht«, sagte Telion. »Glücklicherweise scheinen wir aber nicht beobachtet worden zu sein. Wir werden die Weiber also in der Nähe von Ranistard treffen.« »Hoffentlich«, bemerkte Ceralt. In diesem Moment trat Nidisar ein. »Da die Kand von den Sklaven der Karawane versorgt werden, wollte ich euch noch einen Moment Gesellschaft leisten«, sagte er. »Seid ihr mit eurem Mahl fertig?« »Das sind wir«, antwortete Telion. »Kommst du alleine?« »Ja«, entgegnete Nidisar. »Meine Sklavin hat sich zwar brav verhalten und eine Belohnung verdient, aber sie weigert sich, um diese Belohnung zu bitten. Deswegen habe ich ihr eine Bedenkzeit eingeräumt. Sollte sie mich nach meiner Rückkehr darum bitten, kann sie sie noch erhalten.« »Dieses Weib verdient tatsächlich eine Lehre«, lachte Ceralt. »Wenn sie ›Mann‹ zu einem sagt, klingt das wie ›Sklave‹. Aber willst du nicht auf mein Angebot zurückkommen, Nidisar? Jalav ist auch nicht zu verachten.«
»Daran habe ich gar nicht mehr gedacht«, entgegnete Nidisar nachdenklich. »Vielleicht sollte ich das Angebot annehmen.« Er kam zu mir herüber und baute sich vor mir auf. »Ich bin noch nicht fertig mit dem Essen«, sagte ich, »deshalb sollte Nidisar woanders warten. Möglichst in einem Stall mit Gandod, denn das ist der geeignete Platz für ihn.« »Was für ein Temperament!« sagte Nidisar, dann fuhr er fort: »Wie ich sehe, sitzt du hier mit gekreuzten Beinen, um zu essen. Fayan habe ich das nicht erlaubt, denn eine Sklavin sollte in der Gegenwart ihres Herrn knien. Deine Herren müssen wahrhaft großmütig sein.«
Offensichtlich wollte er Telion und Ceralt gegen mich aufbringen, deswegen lächelte ich nur schwach. »Du solltest besser auf deine Worte achtgeben«, warnte ich ihn. »Niemand weiß, was Mida vorhat. Sollten die Speere noch einmal um die Wette geworfen werden, wer weiß, wer dann der Sklave ist und wer der Freie.«
»Nun, bis dahin hat es noch Zeit«, sagte Nidisar. »Ich erlaube Fayan zum Beispiel auch nicht, ihren Schurz anzubehalten, wenn wir alleine sind. Angezogen rebelliert eine Sklavin viel eher, und das ist schlecht.«
»Davon habe ich auch schon gehört«, warf Ceralt nachdenklich ein. »Unsere Sklavin neigt tatsächlich sehr zur Rebellion. Was meinst du, Telion?«
»Solcher Rebellion muß vorgebeugt werden«, entgegnete Telion ernst. »Sie sollte sich ihr Recht auf Kleidung erst einmal verdienen.«
»Also ist es abgemacht«, sagte Ceralt. »Runter mit dem Schurz, Sklavin!«
Man sagt, daß es verschiedene Wege gibt, dem Lenga seinen Pelz abzunehmen, aber der eine ist angenehmer als der andere. Gefesselt mit drei starken Männern zu kämpfen, ist auch nicht gerade angenehm. Wenn eine Kriegerin unbewaffnet ist, fängt sie den Lenga am besten in der Falle. Deswegen warf ich den Rest meines Fleisches beiseite, legte mich in die weichen Felle zurück und sagte: »Vielleicht möchte Nidisar mir dabei behilflich sein?«
Nidisar sah mich verwirrt an, Telion schien erstaunt, und Ceralt runzelte verwundert die Stirn. Ich bewegte meine Hüften, so wie ich es bei der Sklavin in dem Zelt auf dem Jahrmarkt gesehen hatte. »Komm, Nidisar«, sagte ich, »ich kann mich doch nicht wehren. Ich bin gefesselt. Mach mit mir, was du willst.«
Ich weiß, daß ich den Männern gefalle, und daß sie mir kaum widerstehen können. So ging es Nidisar auch. Er kniete sich neben mich. Ich legte meine Hand auf seine breite Schulter, um ihn näher an mich heranzuziehen, da hielt mich Ceralt am Handgelenk fest.
»Für ihr Benehmen sollte sie nicht auch noch belohnt werden, Bruder«, sagte er zu Nidisar. »Sie war ungehorsam, also muß man sie bestrafen.«
»Ich werde sie bestrafen, sobald ich mit ihr fertig bin«, murmelte Nidisar.
»Nein«, sagte Ceralt und zog Nidisar von mir fort, »eine Sklavin muß umgehend für ihren Ungehorsam bestraft werden, sonst hat die Strafe keine Wirkung mehr, verstehst du.« Nidisar stöhnte und stand auf. »Hoffentlich ist meine eigene Sklavin jetzt bereit, eine Belohnung zu empfangen«, sagte er, »sonst muß ich sie bestrafen.« Damit eilte er aus dem Zelt. Ich wollte mich wieder aufrichten, aber Ceralt hinderte mich daran. Ärgerlich sagte er: »Ich werde es nicht dulden, daß du ungehorsam bist!« Mit diesen Worten drehte er mich herum, so daß ich auf dem Gesicht zu liegen kam, und zog meine Stammeskleidung herunter. Seine tastende Hand stellte fest, daß Nidisar mich erregt hatte, was seinen Ärger noch vergrößerte. Er drehte mich wieder herum und sagte: »Dieses Mal bin ich zuerst an der Reihe. Du wirst deinen Spaß an mir haben, Jalav. Doch, obwohl dich schon ein anderer angeheizt hat, mußt du noch etwas warten, denn es ist noch Renth da.« Ich schnaubte verächtlich, als er sich abwandte, und versuchte, meine Leine von dem Pfahl, an dem ich angebunden war, zu lösen, aber sie war außerhalb meiner Reichweite. Also mußte ich liegenbleiben, den Blicken der Männer preisgegeben, die gemächlich ihren Renth tranken und sich über mich unterhielten.
Als Ceralt fertig war, wischte er sich den Mund ab und kam zu mir. Diesmal zog er sich nicht aus, als er mich vor Telions Augen nahm. Anschließend war Telion an der Reihe, interessiert beobachtet von Ceralt. Das Bitterste war, zu sehen, wie die Männer sich an meiner Scham weideten. Schließlich löschten die Männer die Kerzen und legten sich an meinen Seiten zum Schlaf nieder. Während ich in die Dunkelheit starrte, kam mir der Gedanke, daß ich Mida vielleicht auf irgendeine Weise beleidigt hätte und nun auf diese Art dafür bestraft würde, ehe ich ihr wieder dienen durfte. Sollte dies der Fall sein, so wäre das Maß meiner Strafe aber bestimmt voll, denn wieder hatte ich unter Ceralt geschrien. Niemals würde ich ihm wieder in die Augen sehen können. Es dauerte lange, bis ich endlich einschlief.