Die Finsternis im Treppenhaus machte mir angst. Das Herz klopfte mir so heftig, daß ich das gedämpfte Schluchzen kaum noch hören konnte. Dennoch hastete ich so schnell ich konnte die Treppe hinauf. Das Weinen meiner Großmutter erschreckte und besorgte mich.
Nachdem ich oben Licht gemacht hatte, näherte ich mich vorsichtig ihrer Zimmertür und drückte lauschend das Ohr an das Holz. In Großmutters Zimmer war alles still. Verwirrt trat ich einen Schritt zurück und blickte den Flur hinunter. Im trüben Schein der Deckenbeleuchtung konnte ich umrißhaft die Tür zum Vorderzimmer erkennen. Sie war geschlossen. Das Weinen schien von der anderen Seite zu kommen.
Auf Zehenspitzen huschte ich den Gang entlang. Je näher ich der Tür kam, desto lauter wurde das Weinen. Vor der Tür blieb ich stehen und lauschte. Die Luft um mich herum war eiskalt. Abgesehen von dem Weinen war alles still. So kalt und still wie in einem Grab, schoß es mir durch den Kopf. Mich schauderte. Am liebsten wäre ich stehenden Fußes umgekehrt und die Treppe hinunter geflohen, aber ich war nicht fähig, mich von der Stelle zu rühren. Eine Macht, die stärker war als ich, befand sich mit mir im dämmrigen Flur und zwang mich, die Hand zu heben und auf den Türknauf zu legen.
Er war hart und kalt. Lautlos öffnete ich die Tür und starrte in die undurchdringliche Schwärze des Zimmers. Ein kalter Hauch streifte mein Gesicht. Vorwärts gezogen von einer Macht, gegen die ich mich nicht wehren konnte, trat ich mit weit geöffneten suchenden Augen ins Zimmer und sah, daß die Mitte des Raums von einem bleichen Licht erleuchtet war, dessen Quelle ich nicht ergründen konnte. Die Außenzonen des Zimmers lagen in Dunkelheit, das geisterhafte Licht selbst, das auf das Bett gerichtet war, hatte einen hellen Mittelpunkt und verlor sich zu den Rändern hin in milchigem Dunst.
Ich blickte auf die Gestalt, die im Schein des Lichts auf dem Bett lag. Ein kleiner, weißgekleideter Körper, der von Schluchzen geschüttelt wurde.
Ich sah ein junges Mädchen, höchstens zwölf oder dreizehn Jahre alt, das bäuchlings quer über dem Bett lag. Sie trug ein knöchellanges Kleid aus weißer Baumwolle, das mit Schleifen und Rüschen verziert war. Um die schmale Taille lag eine breite Schärpe, die auf dem Rücken zu einer großen Schleife gebunden war. Unter dem weißen Rock konnte ich die gefältelten Unterröcke und die weißen Strümpfe sehen.
Den Kopf in die Arme gedrückt, weinte das Mädchen herzzerreißend.
Ich weiß nicht, wie lange ich reglos dastand und sie anstarrte. Ich hatte keine Angst, aber ich war völlig fasziniert. So gefangen war ich von dem Bild, das wie Realität schien und doch nur Täuschung sein konnte, daß ich erst erschrak, als das Mädchen den Kopf hob. Was würde geschehen, wenn sie mich entdeckte? Aber dann geschah etwas Seltsames. Das Mädchen richtete in der Tat ihren Blick auf mich, und ich erkannte fast im selben Moment, obwohl ich erschrocken zusammenfuhr, daß sie mich nicht sah. Nein, sie blickte einfach durch mich hindurch. Mit hämmerndem Herzen starrte ich wie gebannt in das reizlose Gesicht des Mädchens und erkannte, daß es dasselbe Mädchen war, das ich auf dem Foto der drei Townsend-Kinder gesehen hatte. Nur älter war sie jetzt. Harriet Townsend, Schwester von Victor und John.
Langsam setzte sie sich auf. Die langen Locken fielen ihr über die Schultern. Ihr Gesicht war verschwollen vom Weinen, doch jetzt schien sie sich gefaßt zu haben und hielt den Blick auf etwas oder jemand gerichtet, der sich hinter mir befand. Als sie zu sprechen begann, zuckte ich zusammen. So real die Szene erschien, das hatte ich nicht erwartet.
«Es ist mir gleich, was Vater sagt«, erklärte sie trotzig mit schmollend vorgeschobenen Lippen.»Ich bleibe hier oben und esse nichts mehr, bis ich verhungert bin. Ich bin ihm ja sowieso gleichgültig.“
Immer noch blickte sie durch mich hindurch, als lausche sie den Worten des unsichtbaren Gegenübers. Dann warf sie zornig den Kopf in den Nacken und sagte:»Warum mußte Victor fortgehen? Er mußte doch gar nicht. Vater wollte, daß er hier bleibt und im Werk arbeitet. Aber nein, Victor mußte seinen Kopf durchsetzen. Ich wünsche ihm nur, daß er in London schrecklich unglücklich wird. Und ich hoffe, er schneidet sich und stirbt an einem Gift.«
Bei der Antwort ihres Gegenübers verzog sie ärgerlich das kleine Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, wer mit ihr sprach, aber es war nicht schwer, die Lücken des Dialogs zu füllen.»Das ist mir egal! Du kannst Vater ausrichten, daß ich mich im Schrank einsperre und nie wieder einen Bissen zu mir nehme. Victor hat versprochen, daß er nie fortgehen würde. Er hat es mir versprochen!«
Harriet Townsend durchdrang mich mit herausfordernd blitzendem Blick. Doch schon im nächsten Moment wandelte sich ihr Trotz in Erschrecken und dann in Furcht. Ihre Augen weiteten sich, der Mund öffnete sich zum Schrei.»Schlag mich nicht!«flehte sie und kroch hastig zur anderen Seite des Betts.»Es tut mir leid. Ich hab's nicht so gemeint. Bitte, bitte, schlag mich nicht. «Sie hob abwehrend die Arme, während sie immer wieder schrie:»Nicht! Bitte, nicht!«Ich stürzte zum Bett und rief:»Harriet — «
Das Licht an der Decke flammte auf. Ich drehte mich verwirrt um.
«Was tust du hier oben?«
Ich zwinkerte geblendet, dann sah ich meine Großmutter, die an der offenen Tür stand. Auf ihrem Gesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck.
«Ich-ich-«
«Du solltest schlafen«, sagte sie.
Ich sah mit offenem Mund zum Bett hinüber. Dort lag mein aufgeklappter Koffer, sein Inhalt über der Steppdecke verstreut. Das gespenstische Licht war ebenso verschwunden wie Harriet, selbst die beißende Kälte im Zimmer schien etwas gemildert. Ungläubig sah ich wieder meine Großmutter an. Hatte sie denn nichts gesehen? Hatte sie nichts gehört?
«Meine — meine Hausschuhe«, erklärte ich verlegen.»Ich wollte meine Hausschuhe holen.«
«Ich hörte dich sprechen.«
«Ja. «Ich fuhr mir mit den Fingern durch das Haar.»Ich hab mir im Dunklen das Schienbein angestoßen. -Ach, da sind sie ja. «Ich bückte mich und hob meine Hausschuhe auf. Wir gingen hinaus und knipsten das Licht aus. Ich fragte mich, wie lange meine Großmutter hinter mir gestanden, wieviel sie gesehen und gehört hatte. Als ich mich vor der Tür zu ihrem Zimmer von ihr trennte, gab sie mir einen Kuß auf die Wange.»Gute Nacht, Kind. Schlaf gut. Und bleib unten, wo es warm ist, sonst holst du dir noch eine Erkältung.«
Bevor sie in ihrem Zimmer verschwand, schaltete sie das Flurlicht aus, und mit einem Schlag war das ganze Haus wieder in schwarze Finsternis getaucht. Ich stand an der Treppe, ohne die Stufen erkennen zu können, und fühlte mich noch ganz im Bann der rätselhaften Begegnung mit Harriet Townsend. Langsam, wie im Traum, stieg ich die Treppe hinunter und hatte dabei die ganze Zeit ihre klägliche kleine Stimme im Ohr.
Was hatte ich da gesehen? War es Einbildung gewesen? Die Ausgeburt einer überreizten Phantasie? Oder hatte ich diese Szene wirklich miterlebt?
Unten angekommen, tastete ich mich an der Wand entlang zum Wohnzimmer vor. Von weither vernahm ich ganz schwach die Klänge eines Klaviers. Mich fröstelte. Während ich in dem pechschwarzen, kalten Flur stand, hatte ich den Eindruck, in einer riesigen, klammen Höhle gefangen zu sein, aus der ich niemals hinausfinden würde. Und die zarte Melodie von Beethovens >Für Elise< wehte aus dunklen Höhen zu mir herunter und lockte mich.
«Nein«, flüsterte ich unwillkürlich. Was immer dort oben wartete, ich hatte nicht den Mut, ihm ins Auge zu sehen. In blinder Hast stolperte ich zum Wohnzimmer und atmete tief auf vor Erleichterung, als sie sich unter dem Anprall meines Körpers öffnete.
Aber ich war nicht allein.
Ein junger Mann stand an den Kaminsims gelehnt und lächelte mir entgegen. In der Hand hielt er ein Glas mit einer dunklen Flüssigkeit.
«Ein scheußlicher Abend«, sagte er und winkte mich zum Feuer.
Ich stand wie eine Idiotin an der Tür und starrte in den offenen Kamin, in dem ein prasselndes Feuer brannte. Es war ein richtiges Feuer, die Flammen leckten an den sorgsam aufgeschichteten Scheiten, und die Funken stoben.
Ich sah wieder den jungen Mann an, der mich mit gutmütiger Belustigung fixierte.»Du bist ja naß bis auf die Haut«, bemerkte er mit leichtem Spott.»Das geschieht dir recht. «Verdutzt blickte ich an mir hinunter, musterte mein T-Shirt und meine Jeans, die völlig trocken waren. Erst dann drehte ich mich um und blickte über die Schulter nach rückwärts. Draußen im Flur war ein zweiter junger Mann, der eben einen klatschnassen Umhang am Garderobenständer aufgehängt hatte und die Nässe von seinem Zylinder schüttelte.
Automatisch wich ich zum Büffet zurück. Ich war plötzlich am ganzen Körper wie gelähmt; meine Glieder waren bleischwer und gehorchten mir nicht mehr. Mein Puls raste und dröhnte mir so laut in den Ohren, daß ich meinte, er müßte im ganzen Haus zu hören sein. Ich weiß nicht mehr, ob Angst und Schrecken oder einfach maßlose Verwunderung mich in diesem Moment lahmten; jedenfalls war ich so gebannt, daß nicht einmal ein Frösteln mich befiel, als der kalte Luftzug mich streifte, den Victor Townsend bei seinem Eintritt ins Zimmer mitbrachte.
«Das reinigt die Luft, John«, sagte er mit volltönender Stimme, während er sich die Hände über dem Feuer rieb. John Townsend ging zur Glasvitrine, holte ein Glas heraus und füllte es aus einer Karaffe mit der dunklen Flüssigkeit, die auch er trank. Dann prosteten die beiden Männer einander zu, tranken und lachten.
Verblüfft erkannte ich, daß sie meine Anwesenheit überhaupt nicht bemerkten.
Die beiden Brüder wirkten sehr gegensätzlich. John, der Jüngere, vielleicht zwanzig Jahre alt, war kleiner und nicht so gutaussehend wie sein Bruder. Dafür waren seine Gesichtszüge weicher, und er strahlte eine sanfte Freundlichkeit aus, die sofort für ihn einnahm.
Victor — mein Urgroßvater (welch seltsame Vorstellung) — hatte dichtes rabenschwarzes Haar und Koteletten, die fast bis zum Unterkiefer reichten. Die großen dunklen Augen lagen tief in den Höhlen, und zwischen den kräftigen Brauen trat die steile Falte über der Nasenwurzel stark hervor. Er war fast einen Kopf größer als sein jüngerer Bruder, kräftiger gebaut, mit breiteren Schultern, und wirkte dadurch imposanter.
Die Kleider, die sie trugen, dunkle Gehröcke und Nadelstreifenhosen, entsprachen ganz der Mode des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts. Sie sahen beide sehr elegant aus, wie sie da standen, und galten unter ihren Zeitgenossen zweifellos als Männer von Geschmack.
«Aha, daran hat dir London offensichtlich nicht den Geschmack verdorben«, bemerkte John, als er sah, daß Victor sich noch einmal aus der Karaffe einschenkte.
«Ich bin doch erst ein Jahr weg, John. Du redest, als hättest du großartige Veränderungen erwartet.«
«Ich habe jedenfalls erwartet, daß du gescheiter heimkommst, als du fortgegangen bist. Das King's College hat einen großen Ruf. Was bringen sie euch denn an der medizinischen Fakultät alles bei?«
«Bettgeflüster«, antwortete Victor scherzhaft. John warf den Kopf zurück und lachte.»Das, lieber Bruder, könntest doch du eher den Londonern beibringen. Aber jetzt mal im Ernst«- er neigte sich mit einem verschwörerischen Lächeln zu Victor hinüber —»macht es dir wirklich Spaß, Leichen zu sezieren?«
«Du bist schrecklich, John, und das gleich an meinem ersten Abend zu Hause.«
«Na schön, dann sprechen wir von angenehmeren Dingen. Durftest du schon mal junge Damen untersuchen?«Victor schüttelte lächelnd den Kopf.»Du bist wirklich unverbesserlich, John. Man wird doch nicht aus Lust an Leichen und nackten jungen Frauen Arzt.«
«Aber nein, natürlich nicht!«John wedelte theatralisch mit einem Arm.»Dich treibt die Menschenliebe, das Mitgefühl mit allen, die leiden, der brennende Wunsch, allem Schmerz und Elend ein Ende zu machen.«
«So etwa«, murmelte Victor.
Einen Moment lang versiegte das Gespräch, und die beiden jungen Männer blickten schweigend in die Flammen im Kamin. Jetzt erst fiel mir auf, wie sich das Zimmer verändert hatte, Eine Tapete mit Blumenmuster bedeckte die Wände, und auf dem Boden lag ein dicker Perserteppich in satten Blau- und Rottönen. Die Glasvitrine stand neu und blitzblank in der Ecke, und dem Roßhaarsofa fehlte Großmutters Schonbezug. Auf dem Kaminsims stand eine Tischuhr auf geschwungenen Beinen, die von zwei Staffordshire-Hunden flankiert war. Gaslampen an den Wänden beleuchteten das Zimmer und mehrere oval gerahmte Porträts mir unbekannter Personen. Ich war so fasziniert von der Szene, daß ich sie auf keinen Fall zerstören wollte. Aus diesem Grund machte ich auch nicht die kleinste Bewegung und wagte kaum zu atmen. Ich hörte, wie hinter mir die Tür geöffnet wurde und eine dritte Person ins Zimmer trat. Ich spürte den kalten Luftzug, der hereinwehte, und sah, wie Victor sich umdrehte und mit strahlendem Lächeln beide Arme ausbreitete, als Harriet auf ihn zuging.
«Victor, ich freu mich so, daß du gekommen bist. «Bruder und Schwester umarmten und küßten einander. Dann hielt er sie auf Armeslänge von sich ab und betrachtete sie von oben bis unten.»Du bist in dem einen Jahr ganz hübsch gewachsen«, sagte er.
Richtig, das war nicht mehr das eigensinnige kleine Mädchen, das noch vor wenigen Minuten oben im Schlafzimmer geweint und geklagt hatte. Harriet war eine junge Dame geworden. Sie trug ein langes Seidenkleid mit hohem Kragen und engem Mieder. Die langen Locken trug sie hochgekämmt und mit Nadeln festgesteckt.
Sie sah sehr elegant aus und wirkte im Feuerschein, der ihre Wangen rosig färbte, beinahe hübsch.
«Ich bin ja auch schon vierzehn«, erklärte sie stolz.»In dem einen Jahr habe ich mich sehr verändert.«
«Aber sie flennt immer noch soviel wie früher.«
«John!«
Victor unterdrückte ein Lächeln.»Ist das wahr, Harriet, weinst du viel?«
«Du hättest sie an dem Abend erleben sollen, als du abgereist bist, Victor! Das war wirklich ein Drama. Sie wollte sich in den Kleiderschrank einsperren und nie wieder etwas essen. «Jetzt ließ Victor das Lächeln heraus.»Meinetwegen wolltest du das tun?«
Ich sah, wie Harriet errötete.»Es hat mich so gekränkt, daß du fortgegangen bist, Victor. Aber jetzt macht es mir nichts mehr aus. Jetzt bin ich stolz darauf, daß du Arzt wirst.«
«Wenn nur auch Vater stolz darauf wäre«, murmelte John unterdrückt.
«Und ich bin froh, daß du das Stipendium bekommen hast. Weil du ja wirklich der klügste Mann von ganz Warrington bist, und ich — «
«Warrington ist ein kleines Städtchen«, warf John ein und griff zur Karaffe.»Noch ein Glas, Victor?«Victor schüttelte den Kopf.
«Kann ich was haben?«fragte Harriet herausfordernd.»Damit du dir deinen hübschen Teint verdirbst? Du weißt, was Vater tun würde, wenn er dich dabei ertappte, daß du Brandy trinkst.«
«Brandy!«sagte Victor.»Du bist ja wirklich erwachsen geworden, hm, Harriet?«
«Mehr als du ahnst. Ich war auf den Tennisplätzen.«
«Harriet!«John warf ihr einen mißbilligenden Blick zu.»Das hat Vater dir doch verboten.«
«Ich spiele ja nicht. Ich sehe nur zu. Das hat er mir nicht verboten.“
«Aber er wird sicher böse werden, wenn er davon hört.«
«Und wer soll es ihm erzählen?«
«Tennis?«fragte Victor mit hochgezogenen Brauen.»Hier in Warrington?«
«Ja, stell dir vor. Meine Freundin Megan O'Hanrahan spielt sogar. Und sie raucht Zigaretten.«
«Diese Megan ist ein ganz lockeres Ding«, bemerkte John finster.»Du solltest dich von ihr lieber fernhalten. «Doch Victor sagte:»In London findet man nichts dabei, wenn eine junge Dame Tennis spielt.«
«Aber wir sind hier nicht in London.«
«Ach, John, du bist so spießig. «Harriet umfaßte Victors Arm und begann schnell auf ihn einzureden.»Tennis interessiert mich gar nicht so besonders«, sagte sie.»Aber weißt du, was ich liebend gern hätte?«
Victor betrachtete seine kleine Schwester amüsiert.»Was denn?«
«Ein Fahrrad.«
John wirbelte herum.»Also, das ist doch wirklich — «
«Einen Augenblick, John, laß deine Schwester ausreden. Also, Harriet, warum möchtest du ausgerechnet ein Fahrrad haben?«
«Megan O'Hanrahan hat auch eines und — «
«Und jeder kann ihre Unterröcke sehen, wenn sie die Straße hinunterfährt!«
«John!«rief Harriet schockiert.
«Es ist unanständig. Vater wird niemals erlauben, daß seine Tochter sich so unschicklich zur Schau stellt. Und ich werde ebensowenig zulassen, daß meine Schwester — «
«Victor! Hilf mir doch!«
«Tja, ich…«Er kratzte sich am Kopf.
«Du bekommst kein Fahrrad, und damit Schluß. Auf der Straße herumfahren und sich unter die Röcke gucken lassen. Das schickt sich nicht für eine anständige junge Dame.«
«John Townsend, wie kannst du so gewöhnlich sein. Ich ziehe doch lange Pumphosen an — «
«Niemals würde Vater diese Dinger in seinem Haus dulden. Sollen die Amerikanerinnen sie anziehen, wenn sie wollen. Die haben sie ja erfunden. Aber du wirst dich nicht auf diese Weise zur Schau stellen.«
Harriet sah John einen Moment lang mit zornig blitzenden Augen an, dann wandte sie sich Victor zu.»Und was findest du?«
«Ich muß John da leider zustimmen, Harriet. Tennisspielen mag noch angehen, aber Radfahren ist etwas ganz anderes. Ich glaube, du schlägst dir das am besten aus dem Kopf.«
«Das sind nur diese Iren«, sagte John, während er wieder zur Karaffe griff und sein Glas füllte.»Vater hat ihr den Verkehr mit diesen O'Hanrahans verboten. Das sind üble Leute.«
«Gar nicht wahr! Es sind sehr anständige Leute.«
«Katholiken!«
«Sie sind genauso gottesfürchtig wie du und Vater — «
«Keine Widerworte, Harriet!«schrie John sie an. Einen Moment stand Harriet wie vom Donner gerührt und blickte ungläubig von einem Bruder zum anderen, dann schlug sie die Hände vor das Gesicht, drehte sich um und lief weinend aus dem Zimmer.
Als sie an mir vorüberstürmte, drehte ich mich um und öffnete den Mund, um zu sprechen. Aber sie war zu schnell an mir vorbei, und schon fiel krachend die Tür hinter ihr zu. Zornig, Worte des Vorwurfs auf den Lippen, wandte ich mich wieder den Brüdern zu, aber als ich zum Kamin blickte, waren sie nicht mehr da.
Verwirrt fragte ich mich, wohin sie so schnell hatten verschwinden können, dann fand ich in die Realität zurück und lachte nervös. Gespenster! Und ich hatte tatsächlich mit ihnen sprechen wollen!
Zögernd und furchtsam ging ich zur Mitte des Zimmers. Alles war wieder so, wie ich es von Anfang an gekannt hatte: die Möbel alt und glanzlos, die Wände schlicht weiß, im Kamin das Gasfeuer. Und die Uhr auf dem Sims tickte ruhig und gleichmäßig. Mir zitterten plötzlich die Knie, und ich ließ mich in den nächsten Sessel fallen. Was hatte das alles zu bedeuten? Wie war es möglich, daß meine Phantasie mir eine solche Szene vorgaukelte? So lebensecht, so richtig bis ins kleinste Detail, so scheinbar real. Ich war wie im Schock. Ich fühlte mich so schwach, als wäre meinem Körper alle Kraft entzogen worden. Mein Geist war stumpf, wie betäubt.
Was war das nun eben gewesen? Hirngespinste, die meinem erschöpften Geist entsprungen waren? Phantasien, die Großmutters Erzählungen in Verbindung mit der unheimlichen Atmosphäre des Hauses bei mir ausgelöst hatten? Oder… Ich hätte den Gedanken gern lächerlich gefunden, aber es gelang mir nicht.
Oder hatte ich hier wirklich etwas gesehen und miterlebt? War ich von Gespenstern heimgesucht worden, oder war mir ein Blick in die Vergangenheit gewährt worden?
Ich sah zur Uhr hinauf. War es das gewesen? Ein kurzer Blick den Zeitschacht hinunter?
Nein, sagte ich mir, den Blick weiter auf die Uhr gerichtet, ein Spuk im üblichen Sinn war das nicht gewesen; vielleicht schien es so zu sein, daß ich Zeugin gewisser Ereignisse aus der Vergangenheit geworden war. Es war, als hätte ich durch Zufall ein Zeitfenster entdeckt, durch das ich die Geschehnisse beobachten konnte.
Eine Besonderheit fiel mir auf, während ich nachdachte, und das war die Abfolge der Ereignisse. Ich erinnerte mich des Abends meiner Ankunft in diesem Haus, als ich zum erstenmal die Klänge von >Für Elise< gehört hatte. Sie hatten sich angehört, wie von Kinderhand geklimpert. Später jedoch hatte die Melodie flüssiger geklungen, wie von geübterer Hand gespielt. Und Victor war, als ich ihn das erste Mal am Fenster erblickt hatte, ein Junge von etwa fünfzehn Jahren gewesen. In der Nacht, als ich ihn an meinem Bett hatte stehen sehen, war er schon älter gewesen, aber noch nicht so alt wie in dieser letzten Szene, die ich soeben miterlebt hatte. Das gleiche galt für Harriet — oben im Schlafzimmer das weinende Kind und wenige Minuten später schon ein ganzes Jahr älter, eine junge Dame.
War die Uhr vielleicht zurückgedreht worden bis zu den ersten Tagen dieses Hauses im Jahr 1880, als die Familie Townsend hier eingezogen war? Und war sie dann wieder in Bewegung gesetzt worden, um die Ereignisse ihren Verlauf nehmen zu lassen? Wenn das so war, warum? Oder war vielleicht in Wirklichkeit alles nur meine Einbildung?
Ich hatte irgendwann einmal von einer Theorie gelesen, die besagte, daß Zeit in Wirklichkeit Gleichzeitigkeit sei, daß Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eins seien und daß wir nur aufgrund gewisser physikalischer Bedingungen des Universums andere Zeitalter nicht wahrnehmen könnten. Man glaubte, daß hochsensible Menschen, wie Medien oder Hellseher, die Fähigkeit besäßen, die Barrieren zu überwinden und die Zukunft oder die Vergangenheit zu sehen; daß dies möglicherweise das Phänomen des deja vu und der Vorahnung erklärte; daß wir möglicherweise gerade dann, wenn wir am unbewußtesten sind und die Abwehrmechanismen am schwächsten, versehentlich die Barriere durchstoßen und einen Blick in die Zukunft tun könnten. Oder in die Vergangenheit…
Uhren und Kalender sind Erfindungen des Menschen, doch die Zeit ist ewig. Wäre es möglich, daß sie ein Kreislauf ist — und immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt? Oder ist sie vielleicht ein Strom, in dem alle Zeitalter gemeinschaftlich in einem treiben? Wenn alle Geschichte heute existiert und ebenso die Zukunft, könnte es dann nicht möglich sein, daß man irgendwo durch Zufall auf eine Öffnung stößt, ein Fenster gewissermaßen, durch das man einen Blick auf die mitfließenden Ströme erhascht?
Als ich erwachte, war es noch dunkel. Ich lag völlig angekleidet im Sessel, und die Hitze des Gasfeuers brannte auf meinen Beinen. Abrupt setzte ich mich auf. Einen Moment lang wußte ich nicht, wo ich war. Ich rieb mir die Augen und sah auf die Uhr. Es war vier.
Mein ganzer Körper war steif, und meine Glieder schmerzten, als ich vorsichtig aufstand, um mich im Zimmer umzusehen. Alles war wie immer. Ich war ganz einfach mit meinen Gedanken über den Besuch in der Vergangenheit eingeschlafen. Wenn es denn tatsächlich ein Besuch gewesen war. Vielleicht war es ja auch nur ein Traum gewesen. Es war möglich, daß ich schon vor Stunden am Gasfeuer eingeschlafen war und alles nur geträumt hatte. Aber nein, da standen meine Hausschuhe. Jene erste Periode zumindest, als ich dem Schluchzen folgend nach oben gegangen war und dort die weinende Harriet angetroffen hatte, war real gewesen. Und die zweite Szene, die mit Victor, John und Harriet?
Ich konnte nicht glauben, daß ich sie phantasiert hatte. Zu lebensecht war die Episode gewesen. Die drei hatten gesprochen und agiert wie Menschen aus Fleisch und Blut. Aber eine Erklärung für diese Vorfälle wußte ich nicht. Da ich nicht wieder einschlafen wollte, wanderte ich noch eine Weile im Zimmer umher und schlug mich dabei mit den Fragen herum, die mich bedrängten. Wenn ich sie sehen kann, wieso können dann sie mich nicht sehen? Ist dieses >Zeitfenster< eine Art Einwegspiegel? Und wenn ich sie sehen und hören und den kalten Luftzug bei ihrem Eintritt ins Zimmer fühlen kann, kann ich sie dann vielleicht auch berühren? Was würde ich dabei zu fühlen bekommen? Würden sie die Berührung wahrnehmen? Und weiter — aus welchem Grund liefen die Ereignisse in ihrem Leben in chronologischer Folge ab? Hatte das einen bestimmten Sinn? Völlig erschöpft ließ ich mich in den Sessel fallen. Ja, was hatte das alles für einen Sinn? Wozu wurden mir bestimmte Ereignisse gezeigt, ganz willkürlich, wie mir schien? Ich konnte nicht selbst bestimmen, was ich sehen wollte und was nicht, das lag auf der Hand. Ich hätte Harriet und ihre Brüder nicht herbeiholen können, wenn ich es jetzt versucht hätte. Aber wenn sie sich mir zeigten, würde ich der Begegnung höchstwahrscheinlich nicht ausweichen können. Das Geschehen lag ganz außerhalb meiner Kontrolle.
Andrerseits schienen sie meiner überhaupt nicht gewahr zu sein. In allen Spukgeschichten jedoch, die ich je gehört oder gelesen hatte, hatte immer der >Geist< das Geschehen beherrscht und bestimmt, wem er sich zeigen wollte. Dies hier schien mir ein Spuk von ganz anderer Art zu sein. Zusammenhanglose Szenen aus der Vergangenheit, alle so real, als lebte ich in jenen Momenten wahrhaftig im England des neunzehnten Jahrhunderts. Warum gerade ich? fragte ich mich immer wieder. Wenn dies alles keinen Sinn hat, keinem bestimmten Zweck dient, warum dann gerade ich? Warum nicht Christine oder Ann oder Albert? Warum nicht William oder Elsie oder Großmutter?
Ich hockte mit hochgezogenen Beinen im Sessel, den Kopf auf den Knien, als mir ein neuer, erschreckender Gedanke kam. Mit einem Ruck richtete ich mich auf und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf die ruhig tickende Uhr. Alles läuft in der gleichen zeitlichen Reihenfolge ab wie vor hundert Jahren, dachte ich. Und das kann nur heißen -
Nein! Ich sprang auf. Großmutters Worte fielen mir wieder ein.»Victor Townsend war ein nichtswürdiger Mensch. Manche sagen, er hätte sich der Schwarzen Kunst verschrieben. Andere behaupten, er hätte mit dem Satan selbst in Verbindung gestanden. Nichts in der Welt wird mich dazu bringen, über die unsäglichen Scheußlichkeiten zu sprechen, die dieser Teufel begangen hat. Solange Victor Townsend lebte, machte er den Menschen in diesem Haus das Leben zur Hölle.«
«Nein…«, stöhnte ich.
«Andrea!«
Ich bewegte stumm meinen schmerzenden Kopf hin und her.»Andrea, Kind!«
Langsam öffnete ich die Augen und sah meiner Großmutter ins Gesicht.
«Andrea, fühlst du dich nicht wohl?«
«Doch, doch — es geht mir gut.«
«Es ist fast zehn«, sagte sie, während ich noch immer in das alte Gesicht blickte, das einmal frisch und schön gewesen war.»Möchtest du aufstehen oder lieber noch eine Weile schlafen?«
Stirnrunzelnd blickte ich an mir hinunter, sah das Nachthemd, das ich anhatte, die Decken, die auf mir lagen. Ich drehte den Kopf zur Seite. Meine Sachen lagen sauber gefaltet auf einem Stuhl. Wann hatte ich sie ausgezogen?
«Ach, Großmutter…«, sagte ich seufzend und rieb mir die Augen.»Ich habe solche Kopfschmerzen.«
«Armes Kind. Warte, ich hol dir eine Tablette. Bleib ruhig liegen.“
Auf ihren Stock gestützt schlurfte sie zum Büffet und zog die oberste Schublade auf. Ich dachte an die vergangene Nacht zurück. Ich erinnerte mich an die weinende Harriet, die oben auf dem Bett gelegen hatte, und an ihr Gespräch mit ihren beiden Brüdern. Und ich erinnerte mich, daß ich im Zimmer umhergegangen war und versucht hatte, mir klarzuwerden, was diese Visionen oder Besuche in die Vergangenheit, oder was es sonst war, zu bedeuten hatten. Aber was danach geschehen war, wußte ich nicht mehr. Ich hatte keinerlei Erinnerung daran, mich ausgekleidet und ins Bett gelegt zu haben.
«Hier, Kind. «Mit ihrer schmalen, von der Gicht verkrüppelten Hand reichte sie mir zwei weiße Tabletten und mit der anderen ein Glas Wasser.»Die helfen dir bestimmt.«
«Was ist das?«
«Ein Mittel gegen Kopfschmerzen. Nimm sie.«
«Danke.«
Ich setzte mich auf und schluckte die Tabletten. Es irritierte mich, daß ich mich nicht erinnern konnte, wie ich ins Bett gekommen war, und ich verstand nicht, weshalb ich so starke Kopfschmerzen hatte. Während meine Großmutter in die Küche hinüberging, stand ich müde auf, nahm meine Sachen und ging in den Flur hinaus. Die Kälte traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Fröstelnd stieg ich die Treppe hinauf. Auf halbem Weg hielt ich inne.
Eine flüchtige Erinnerung blitzte in meinem Gedächtnis auf. Es war das Fragment eines Traums, den ich gehabt hatte. Nur ein Schatten war von ihm geblieben, und sosehr ich mich anstrengte, ihn zu erhellen, es gelang mir nicht. Ich konnte mich nicht an den Traum erinnern. Bis auf jenes eine dürftige Fragment. Es hatte mit dem Kleiderschrank in meinem Schlafzimmer zu tun.
Fröstelnd unter meinem dünnen Nachthemd, stand ich auf der Treppe und kämpfte einen fruchtlosen Kampf mit meinem widerspenstigen Gedächtnis. Irgendwann im Lauf der Nacht hatte ich etwas sehr Seltsames geträumt. Und es war in dem Traum um den Kleiderschrank gegangen.
Ich schüttelte verstimmt den Kopf. Der Traum war verloren und ließ sich nicht zurückholen. Ich stieg die letzten Stufen hinauf und ging ins Badezimmer.
Einige Zeit später trat ich etwas frischer und dank Großmutters Tabletten fast frei von Kopfschmerzen aus dem kalten Badezimmer und ging ins vordere Schlafzimmer. Mein Koffer lag aufgeklappt auf dem Bett, umgeben von Toilettenartikeln, Unterwäsche und frischen T-Shirts. Alles war genauso, wie ich es am Vortag zurückgelassen hatte. Das Zimmer war frühmorgendlich kalt, doch im gedämpften Tageslicht, das durch die Vorhänge fiel, hatte es nichts Unheimliches mehr. Es war nicht mehr als ein altes Schlafzimmer. Das Bettgestell aus Messing war angelaufen und hatte dringend eine Politur nötig. Eine feine Staubschicht bedeckte den Sims über dem Kamin. Die Wände waren feucht, an einigen Stellen blätterte der Anstrich. Der Kleiderschrank war alt und abgenützt. Der Kleiderschrank.
Ich starrte das schwere Möbelstück aus dunklem Eichenholz so intensiv an, als könnte ich in ihm den verlorenen Traum wiederfinden. Aber nichts geschah. Mir fiel lediglich auf, daß eine der Türen einen Spalt offenstand.
Ich dachte an Harriet, die schluchzend auf dem Bett gelegen und gedroht hatte, sich in den Schrank einzusperren und Hungers zu sterben. Und ich erinnerte mich meiner ersten Nacht hier oben, als ich, nach jenem schrecklich beklemmenden Alptraum, zum Spiegel über den Kamin gesehen und aus irgendeinem Grund von dem Bild, das er wiedergab, gefesselt gewesen war: dem Schrank mit der offenen Tür.
Im kühlen Morgenlicht, das den Schatten keinen Raum ließ, faßte ich Mut und näherte mich dem Kleiderschrank mit einer Mischung aus Neugier und Scheu. Ich griff zur Tür und zog sie langsam auf. Drinnen hingen, wie ich sie aufgehängt hatte, die Blue Jeans und das T-Shirt, die ich auf der Reise getragen hatte. Sonst war nichts zu sehen. Als ich die zweite Tür öffnete, entdeckte ich nur gähnende Leere und ein paar alte Kleiderbügel.
Ein leerer alter Kleiderschrank, sonst nichts.
Ich räumte meine Sachen vom Bett und ging wieder zu meiner Großmutter hinunter.
«So, so«, sagte meine Großmutter, als wir fertig gefrühstückt hatten,»du möchtest einen Spaziergang machen?«
«Ja. Ich möchte ein bißchen raus an die frische Luft. «Sie blickte zum Fenster hinaus in den klaren blauen Himmel.»Es scheint ein schöner Tag zu sein, aber hier weiß man nie. Der November hat's in sich, Kind. Es kann jederzeit umschlagen und sich zuziehen.«
«Ich zieh mich warm an, Großmutter. Aber ich brauch ein bißchen frische Luft. Und Onkel Ed und Tante Elsie kommen ja noch nicht so bald.«
Mein Vorhaben schien ihr nicht recht zu passen, aber sie sagte nichts mehr. Ich zog zwei von ihren Wolljacken über mein T-Shirt, zog mir eine Wollmütze über die Ohren und schlang mir einen dicken Schal um den Hals.»Wohin willst du denn?«fragte sie.
Ich sah durch das Wohnzimmerfenster zu dem großen Feld hinaus, das sich jenseits der Hintergasse leicht gewellt in die Ferne dehnte.»Wohin kommt man da?«
«Das ist Newfeld Heath. Führt an einem Kanal entlang. Da kannst du nicht verlorengehen, wenn du da lang gehst. Geh einfach bis zum Ende der Straße und bieg dann an der Kent Avenue rechts ab. Dann bist du in fünf Minuten draußen auf dem Feld. Aber bleib nicht zu lang aus.«
Sie begleitete mich hinaus, erinnerte mich noch einmal an die Zeit und schloß dann die Tür hinter mir.
Während ich noch auf der kurzen Treppe vor dem Haus stand und die Enden des Schals unter den Kragen meiner Jacke schob, überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Die Sonne lockte, und der kühle Wind in meinem Gesicht war erfrischend, und dennoch zog es mich ins Haus zurück. Ich stieg die erste Stufe hinunter und blieb stehen. Ein Widerstreben erfaßte mich, ein plötzlicher Widerwille, das Haus zu verlassen.
Ich verstand mich selbst nicht mehr. Wieso dieses Zaudern? Vor fünf Minuten noch hatte ich nicht schnell genug aus dem Haus kommen können, und jetzt wäre ich am liebsten umgekehrt. Ich fühlte mich wie von sanfter Gewalt ins Haus zurückgedrängt. Es war beinahe so…
Ich schüttelte den Kopf und stieg entschlossen die Stufen hinunter.
… beinahe so, als wolle das Haus mich nicht gehen lassen. Hirngespinste, sagte ich mir ärgerlich und marschierte zielstrebig den Gartenweg hinunter zum Tor, öffnete es und trat auf die Straße hinaus. Absurd! Das Haus mich festhalten wollen! Ich lachte etwas künstlich, um mir selbst zu zeigen, wie lächerlich ich mich benahm. Die Nase in den beißenden Wind gerichtet und ohne einen Blick zurückzuwerfen, machte ich mich auf den Weg.
Nach einigen Minuten verlor sich das Gefühl, und ich konnte mich, während ich gemächlich die George Street hinunterging, des frischen Tags und meiner Freiheit freuen. An der Kent Avenue bog ich ab, und ein paar Minuten später hatte ich die Stelle erreicht, wo das Kopfsteinpflaster der Straße in den Wildwuchs des Feldes überging.
Newfeld Heath ist ein brachliegendes Stück Land, das sich über mehr als anderthalb Kilometer an einem Seitenarm des Flusses Mersey entlangzieht. Flecken grünen Grases wechselten mit bemoosten Felsplatten und nackter brauner Erde ab, und überall wucherte üppig stachliger Ginster.
Die Hände tief in den Taschen meiner Jeans, schlug ich den Weg zum Kanal ein, hielt mein Gesicht in die Sonne und atmete tief die glasklare Luft. Es erstaunte mich, wie rasch meine Stimmung sich hob, nachdem ich dem Haus meiner Großmutter entronnen war. Es tat mir unglaublich gut, das bedrückende Unbehagen abschütteln zu können, das es in mir hervorrief, und ich genoß es, eine Weile mit mir und meinen Gedanken allein sein zu können.
Ich hatte gerade zwei Tage und drei Nächte im Haus meiner Großmutter zugebracht, aber es erschien mir wie eine Ewigkeit. Ich konnte nicht verstehen, weshalb ich mich so erschöpft fühlte und irgendwie völlig außer Kontrolle. Ich war nicht mehr Herrin meiner selbst; meine Gefühle, Gedanken, meine Phantasie und selbst mein Körper schienen mir entglitten zu sein. Ich stapfte durch das Feld und achtete, ganz in mich selbst vertieft, kaum auf meine Umgebung.
Vergeblich suchte ich nach einer einleuchtenden Antwort auf die Frage, was in diesen zwei Tagen hier mit mir geschehen war. Ich mochte es drehen und wenden, wie ich wollte, immer wieder kam ich zu dem Haus zurück. Ganz gleich, in welche Richtung ich meine Gedanken lenkte, ich landete unweigerlich bei dem Schluß, daß das Haus meiner Großmutter eine seltsame und unerklärliche Macht über mich besaß.
Nicht weit vom Kanal blieb ich stehen. Am Ufer vertäut lag ein Hausboot, das sachte auf dem Wasser schaukelte. Die Wäsche, die an Deck aufgehängt war, flatterte im Wind. Zwei Jungen kauerten im Wasser und schlugen mit einem Stock nach irgend etwas. Ich drehte mich um und blickte zurück zu der langen Reihe völlig gleich aussehender Häuser, die das Feld begrenzte. Die Gartentüren waren rostig, die Backsteinmauern an vielen Stellen abgebröckelt. Welches der Häuser war das meiner Großmutter? Und was war der Grund für diese besondere, geheimnisumwitterte Atmosphäre, die es ausstrahlte? Es war beinahe so, als atmete es, als lebte etwas in ihm — etwas Unsichtbares…
Ich nahm meinen Weg wieder auf, und während ich automatisch einen Fuß vor den anderen setzte, dachte ich an meine Großmutter. Ich sah ihr Gesicht vor mir, das verwirrende Wechselspiel ihrer Züge, die sich bald jung und schön zeigten und im nächsten Moment schon wieder alt und alltäglich; bald frisch und strahlend und gleich wieder verbraucht. Ich bewunderte ihre Kraft, ihre Fähigkeit, ganz allein mit dem Leben fertigzuwerden, ihren Mut, den Kampf aufzunehmen, obwohl ihr das gerade jetzt besonders schwerfallen mußte, da der Mensch, mit dem sie zweiundsechzig Jahre ihres Lebens verbracht hatte, sie allein gelassen hatte. Ich stemmte mich mit vorgezogenen Schultern gegen den kalten Wind. Er war erfrischend und belebend. Und Großmutters Tabletten hatten die Kopfschmerzen vertrieben. Wie mochte es sein, zweiundsechzig Jahre lang mit demselben Mann zusammenzuleben? Ich dachte an Doug, an unsere erste gemeinsame Nacht und unsere letzte. Meine Großeltern hatten zweiundsechzig Jahre zusammengelebt, bis der Krankenwagen meinen Großvater fortgebracht hatte. Doug und ich hatten sechs Monate zusammengelebt, bis ich Schluß gemacht hatte.»Du bekommst Angst, Andi«, hatte Doug an unserem letzten Abend zu mir gesagt.»Du spürst, daß eine Beziehung zu tief geht, daß sie zu ernst wird, und du kriegst Angst. Und darum steigst du aus. Du machst der Beziehung ein Ende, ehe sie so dicht wird, daß sie dir Schmerz bereiten kann. Du willst den Schmerz vermeiden.«
«Will das nicht jeder?«hatte ich entgegnet.»Sicher. Aber woher weißt du, daß Schmerz auf dich wartet? Ich liebe dich und ich glaube, daß du mich auch liebst, auch wenn du es nie gesagt hast. Wovor hast du solche Angst?«Als ich vor vier Tagen in die Maschine nach London gestiegen war, hatte ich es mit der Überzeugung getan, daß meine Entscheidung, mich von Doug zu trennen, richtig gewesen war. Er hatte die richtige Diagnose gestellt: Ich wollte nicht die tiefe Verbundenheit, die er suchte. Ich wollte weder Heirat noch Familie. Ich wollte frei und ungebunden sein.
Genau diese Worte hatte ich gebraucht, als ich ihm meinen Entschluß mitgeteilt hatte.»Frei und ungebunden.«
«Und wo bleibt die Liebe?«hatte Doug gefragt.»Die Liebe hat damit nichts zu tun«, entgegnete ich.»Ich spreche von Freiheit. Ich will mich nicht festlegen. Ich will mich nicht binden.«
Und er sagte:»Wovor hast du Angst?«
Das Gespräch hatte unbefriedigend und mit Bitterkeit geendet. Ich hatte eine kühle, sachliche Trennung gewollt. Ich hatte versucht, ihm mein Bedürfnis nach Freiheit begreiflich zu machen, er jedoch hatte nur von Liebe und Angst gesprochen. Als hätten diese beiden Dinge etwas mit dem zu tun, was ich ihm hatte klarmachen wollen.
Nach sechs aufregenden, glücklichen Monaten hatten wir uns zum erstenmal gestritten. Es wurde keine Trennung, wie ich sie gewünscht hatte. Unglücklich, bitter und in innerem Aufruhr waren wir auseinandergegangen. Die Reise nach England, hatte ich gehofft, würde mir Gelegenheit geben, Abstand zu gewinnen, mit mir ins reine zu kommen und meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
Aber das war, wie es schien, eine Illusion gewesen. Wieder blieb ich stehen und sah blinzelnd zum blendend blauen Himmel auf, an dem weiße Federwölkchen dahintrieben. Wie merkwürdig, hier zu stehen, so weit von zu Hause, und zu denken, daß ich hier zur Welt gekommen war; daß hier meine Anfänge waren.
«Du hast keine Wurzeln«, hatte Doug an unserem letzten Abend gesagt, und das vertraute Lächeln war einem Ausdruck gewichen, den ich vorher nie an ihm gesehen hatte.»Du hast keine Wurzeln, und du hast Angst davor, Wurzeln zu fassen. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, Andi. Du bist so künstlich und hohl wie die Stadt, in der du lebst.«
Und so hatte es geendet. Wo war die Autonomie, auf die ich immer so stolz gewesen war? Wo waren die Willensstärke und der eigene Sinn, auf die ich mich immer hatte verlassen können? Ich hatte schon früher Beziehungen beendet und war über sie hinweggekommen. Warum konnte ich mich aus dieser nicht befreien?
Meine Wangen brannten im rauhen Wind, während ich wieder zu den Rückfronten der Häuser hinüberblickte, die das Feld säumten. Eines von ihnen das meiner Großmutter. Bei der Erinnerung an Doug und seine Frage, wovor ich Angst hätte, fiel mir etwas ein, das Großmutter zu mir gesagt hatte.»Dein Großvater lebte in der ständigen Angst, Victor Townsends schreckliches Erbe könnte in einem seiner Enkelkinder wieder lebendig werden.«
Ich fröstelte ein wenig, zog die Wolljacke fester um mich und machte mich auf den Rückweg zur Kent Avenue. Jetzt, da ich dem Haus eine Weile fern und mit mir selbst allein gewesen war, erkannte ich, daß all das Unheimliche, das mich in den letzten Tagen bedrückt hatte, nur Einbildung gewesen war, ein Produkt meiner überreizten Nerven. Blicke in die Vergangenheit — absurd! Das waren Träume gewesen. Ich war eingeschlafen, ohne es zu merken. Ich mußte mich nur an das Haus gewöhnen, dann würde ich mich in ihm so wohl fühlen wie meine Verwandten, und die Halluzinationen würden aufhören.
Aber kaum betrat ich das Haus, senkte sich wieder das Gefühl der Beklemmung über mich, hüllte mich ein wie ein dunkler Schleier, schnürte mich ein, daß mir der Atem stockte.»Großmutter«, wollte ich rufen, aber meine Stimme gehorchte mir nicht. Ich lehnte mich an den Pfosten der Haustür und starrte in den düsteren Flur, unfähig, mich zu bewegen. Nach einer langen Zeit, wie mir schien, wurde die Wohnzimmertür geöffnet, und freundliches Licht fiel auf den abgetretenen Teppich.
«Wieder da, Kind?«hörte ich meine Großmutter rufen.»Ich dachte mir doch, daß ich die Tür gehört habe. Komm herein. Elsie und Ed werden bald kommen, um dich abzuholen. «Niedergeschlagen, daß es mir doch nicht gelungen war, mich gegen die unheimliche Atmosphäre dieses Hauses zu feien, folgte ich meiner Großmutter ins Wohnzimmer, legte die dicken Kleider ab und ging zum Kamin.»Muß kalt sein draußen«, sagte meine Großmutter auf dem Weg in die Küche.»Du bist ganz rotgefroren. Du solltest noch etwas Warmes zu dir nehmen, ehe du wieder hinausgehst. Ich hol dir ein Glas von meinem Kirschlikör.«
«Wenn ich ehrlich sein soll, war mir ein Brandy lieber, Großmutter«, rief ich ihr nach.
«Tut mir leid«, gab sie zurück,»aber Brandy hab ich nicht im Haus.«
«Aber natürlich!«widersprach ich kopfschüttelnd über die Vergeßlichkeit des Alters und ging zur Vitrine. Ich sah das alte Teeservice und die in Leder gebundenen Bücher, und da fiel es mir ein. Den Brandy hatte es damals gegeben. Ich drehte mich hastig um und sah meine Großmutter in der Küche verschwinden. Mir wurde ganz heiß im Gesicht. Begann ich schon, Illusion mit Wirklichkeit zu verwechseln? Eine erschreckende Vorstellung.
Als Großmutter wieder ins Zimmer kam, stand ich immer noch bei der Vitrine. Sicherlich verriet mein Gesicht meinen Schrecken, aber sie bemerkte es nicht. Sie reichte mir das Glas mit dem gewärmten Likör und wandte sich von mir ab. Ich war erleichtert, als Elsie und Ed kamen. Sie waren die Gegenwart und die Vernunft. Ich mußte fort aus diesem Haus und dem Bannkreis seines unheimlichen Einflusses auf mich. Als wir im Flur in unsere Mäntel schlüpften, sagte Elsie:»Pack dich nur richtig ein, Andrea. Wir bekommen schlechtes Wetter. Im Westen sieht's nach Regen aus. Hoffentlich gibt es keinen Sturm.«
Mein Großvater saß aufrecht im Bett, als wir kamen. Seine Augen waren weit geöffnet, und er wirkte etwas wacher als die letzten Male.
«Hallo, Dad«, sagte Elsie und nahm ihren gewohnten Platz ein.
«Ich hab heute eine Überraschung für dich. Schau mal!«Sie nahm eine grün-goldene Dose aus ihrer großen Handtasche.»Sirup. Für den Nachmittagstee.«
Mein Großvater lächelte beglückt.
Ed, immer sanft und zurückhaltend, fragte gedämpft:»Fühlst du dich heute ein bißchen besser?«
Mein Großvater nickte, als hätte er verstanden. Dann wandte er sich ganz überraschend mir zu. Mir wurde unbehaglich unter seinem Blick. Seine Augen waren so umflort, ihr Ausdruck so unergründlich, daß unmöglich zu erkennen war, was in ihm vorging. Vielleicht hatte er sich in meine Richtung gewendet, weil er das Scharren meines Stuhls gehört hatte. Vielleicht war es einfach seine Gewohnheit, erst nach dieser, dann nach jener Seite zu sehen. Ganz gleich, als er mich ansprach, war ich überrascht.»Ruth? Du bist also wieder da, hm?«
«]a, Großvater, ich bin hier. «Vorsichtig griff ich nach seiner mageren, von Altersflecken übersäten Hand und tätschelte sie leicht.
«Ruth? Du bist also wieder da, hm?«
Elsie beugte sich über das Bett und sagte laut:»Das ist Andrea, Dad. Ruth ist in Los Angeles.«
Er nickte und lächelte selig wie ein Kind.»Ja, ich weiß. Das ist unsere Ruth, ja, ja.«
Elsie wollte erneut widersprechen, doch ehe sie etwas sagen konnte, kam eine der Schwestern, blieb am Fußende des Bettes stehen und betrachtete meinen Großvater mit gespielter Mißbilligung.»Er will einfach nicht auf die Beine«, sagte sie zu Elsie und Ed.»Er will einfach nicht aufstehen und gehen. Stimmt's, Mr. Townsend?«
Mein Großvater nickte, ohne den Blick von mir zu wenden.»Die Schwester redet mit dir, Dad, nicht mit Andrea«, sagte Elsie.
Er drehte den Kopf und sah seine Tochter an. Das Lächeln blieb unverändert, die Augen schienen blicklos.
«Die Schwester hat gesagt, daß du nicht gehen willst. Der Doktor möchte, daß du aufstehst und versuchst zu gehen. Wie willst du denn nach Hause zu Mama, wenn du nicht gehen kannst?«
Mein Großvater nickte ihr lächelnd zu, und Elsie wandte sich achselzuckend zur Schwester.»Er kann uns heute überhaupt nicht folgen, nicht?«
«Ach Gott«, meinte die Schwester,»es ist mal so, mal so mit ihm. Spät abends ist er immer sehr wach. Da spricht er so viel, daß wir ihn gar nicht zum Schweigen bringen können. «Elsies Gesicht zeigte Besorgnis.»Spricht er wirr?«
«Das weiß ich nicht so recht. Ich verstehe meistens nicht, was er meint, aber Sie würden vielleicht wissen, wovon er spricht. Er unterhält sich mit Leuten, die nicht hier sind. «Ich spitzte die Ohren, als ich das hörte, und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Schwester. Sie war schon älter und trug einen dunkelblauen Kittel.»Mit wem unterhält er sich denn?«fragte ich. Elsie sagte:»Das ist meine Nichte aus Amerika. Die Tochter meiner Schwester. Als sie hörte, daß ihr Großvater krank ist, kam sie extra hergeflogen.«
«Können Sie mir sagen, mit wem er spricht, Schwester?«
«Nein, ich hab keine Ahnung. Was er sagt, ergibt keinen Sinn.«
«Hat er Namen genannt?«
«Andrea, was soll das?«fragte Elsie.
Ungeduldig über die Unterbrechung antwortete ich:»Ach, nichts, Tante Elsie. Ich dachte nur — er hätte vielleicht Mutters Namen erwähnt. Oder mit ihr gesprochen, weil er glaubte, sie sei hier. Dann hätte ich ihr vielleicht etwas von ihm ausrichten können, wenn ich wieder zu Hause bin.«
«Nein, mit Frauen spricht er nie«, warf die Schwester ein.»Einen Frauennamen hab ich nie von ihm gehört. Er spricht immer nur mit einem Mann.«
«Und hat er nie einen Namen genannt?«fragte ich wieder.»Da muß ich erst mal überlegen. Er führt richtige Gespräche, wissen Sie. Meistens dreht sich's um Pferderennen. Er bildet sich ein, daß er eine Wette placiert, verstehen Sie. Oder er bestellt ein Glas Bier. Aber Namen — warten Sie mal. «Sie rieb sich nachdenklich die Wange.
Ich rutschte gespannt bis zur äußersten Stuhlkante. Endlich schnalzte sie mit dem Finger und sagte:»Ja, an einen erinnere ich mich. Erst neulich abend hat er ihn genannt. Und gestern abend auch wieder. Er redete mit einem Victor. Ja, genau. Victor.«
Ich rutschte auf meinem Stuhl wieder nach hinten.»Victor!«wiederholte Elsie.»Großvater hat nie einen Victor gekannt. Das muß er sich ausgedacht haben.«
«Sicher«, meinte die Schwester und machte Anstalten zu gehen.»Das tun sie hier fast alle. Erfinden sich unsichtbare Besucher. «Während sie zum nächsten Bett trat und sich über den dort liegenden Patienten beugte, starrte ich auf ihren kräftigen Rücken und dachte, er hat Victor auch gesehen.