Kapitel 8

William und May trotzten dem Nebel und kamen auf eine Stippvisite bei uns vorbei. Großmutter, die im Lauf des Spätnachmittags etwas traurig gewesen war, weil keiner Großvater besuchen würde, wurde sogleich wieder heiterer. William und May wollten sich vom schlechten Wetter nicht von ihrem gewohnten Abendbesuch im Krankenhaus abhalten lassen.»Möchtest du mitkommen, Andrea?«

Ich nickte nachdrücklich. Ich mußte eine Weile hinaus aus diesem Haus. Ich brauchte frische Luft und Tapetenwechsel und die Gesellschaft anderer Menschen. Zum erstenmal war ich froh um meine Verwandten.

«Ich weiß nicht, Andrea«, sagte Großmutter zweifelnd, während sie mir die Hand auf die Stirn legte.»Ich glaube, du brütest eine Erkältung aus.«

«Ach wo! Mir geht's gut.«

«Sie hat den ganzen Tag Kopfschmerzen gehabt, und gestern auch schon. Ich glaube, das ist die Feuchtigkeit.«

Nun fühlte sich auch May genötigt, mir die Hand auf die Stirn zu legen.»Fieber scheint sie keines zu haben. Möchtest du mitkommen, Andrea?«

«Ja, sehr gern.«

«Also gut«, meinte Großmutter seufzend.»Aber zieh dich richtig an. Im Radio haben sie gesagt, daß ein Sturm aufzieht.«

«Ich geh schon voraus und wärm den Wagen ein bißchen vor«, sagte William, während er wieder in seine dicke Jacke schlüpfte und den Wollschal umlegte.»Komm erst raus, wenn du fertig angezogen bist. Ich mach dir dann gleich die Tür auf. Da bekommst du von der Kälte gar nichts mit.«

Aber ich hatte mich inzwischen so sehr an die Kälte gewöhnt, daß ich all die warmen Verpackungen gar nicht brauchte, die Großmutter mir aufdrängte. Im Gegenteil, das Wohnzimmer war mir schon den ganzen Nachmittag muffig und überheizt erschienen, und mehrmals wäre ich am liebsten aufgesprungen und hätte die Tür aufgerissen. Dennoch packte ich mich unter der mütterlichen Fürsorge Großmutters so warm ein, wie sie es wünschte und als ich schließlich in Jacke, Mantel, Wollmütze und Fäustlingen dastand, hatte ich nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich hinauszukommen. Aber an der Haustür wurde ich aufgehalten. In dem Moment, als ich den Fuß über die Schwelle setzen wollte, überfiel mich ein so starkes Schwindelgefühl, daß ich mich am Türpfosten festhalten mußte, um nicht zu stürzen.»Was ist denn, Kind?«hörte ich Mays Stimme von weither. Die nebelwallende Straße schwankte vor meinen Augen, bewegte sich in wilden Wellenbewegungen auf mich zu und wich wieder zurück. In weiter Ferne stand ein winziger William neben einem winzigen Auto. Es war, als sähe ich ihn durch eine konkave Linse. May war an meiner Seite, ich sah, wie ihre Lippen sich bewegten, aber ich hörte nichts. Der Boden unter meinen Füßen bewegte sich wie bei einem Erdbeben. Ich umklammerte die Tür, um Halt zu finden, während der Boden unter mir absackte und mir der Magen bis zum Hals hinaufsprang wie auf einer Achterbahn.

Als ich mit dem Kopf auf den harten Holzboden aufschlug, hörte der Schwindel schlagartig auf, und ich starrte benommen zur Decke hinauf.

«Mein Gott, mein Gott!«hörte ich Großmutter voller Entsetzen rufen.»Sie ist ohnmächtig geworden.«

Drei erschrockene Gesichter neigten sich über mich, dann wurde ich vom Boden aufgehoben. William nahm mich in seine kräftigen Arme und zog mich hoch. Ich hing wie eine Lumpenpuppe an ihm. Großmutter und May gingen händeringend und o Gott, o Gott rufend neben uns her, während William mich durch den Flur ins Wohnzimmer schleppte.

Dort setzte er mich in einen Sessel und schälte mich schnell und etwas grob aus den dicken Kleidern.

Als ich wieder ganz bei Besinnung war, sah ich, daß ich vor dem Gasofen saß, der voll aufgedreht war. Um meine Beine lag eine dicke Decke und Großmutter hielt mir eine Tasse Tee hin.»Es ist schon wieder gut«, sagte ich schwach.»Es war die Hetze. Weil alles so schnell gehen mußte und — «

«Unsinn!«Großmutter schlug mir auf den Arm.»Du hast die Grippe, das seh ich doch. Trink jetzt deinen Tee, komm.«

«Geht es dir wirklich wieder gut, Andrea?«fragte May besorgt.»Wir können den Arzt holen — «

«Nein, nein. Es ist nichts — wirklich nicht. Es war nur die Aufregung. Gott, ist das heiß hier. «Ich wollte die Decken wegziehen, aber Großmutter ließ es nicht zu.»Du hast Fieber«, fuhr sie mich an.

May legte mir ihre Hand auf Stirn und Wangen und entgegnete:»Nein, Mutter, das stimmt nicht. Ganz im Gegenteil, sie ist sehr kalt. Weißt du, was das zu bedeuten hatte, William?«William zuckte die Achseln.»Nach einer Ohnmacht ist das oft so, glaube ich. Also die Grippe hat sie sicher nicht. Es muß was anderes sein.«

«Doch, sie hat die Grippe. Sie hat sich erkältet«, behauptete Großmutter unerschütterlich.»Und sie geht mir heute nicht aus dem Haus.«

Ich kuschelte mich tiefer in den Sessel und starrte trübe in meine leere Teetasse. Großmutter hatte keine Ahnung, wie wahr ihre Worte waren. Ich würde nicht aus dem Haus gehen, weil dieses Haus es mir nicht gestattete. Ich war seine Gefangene. Die Macht, die hier wohnte, brauchte mich noch. Drei Besuche bei meinem Großvater waren mir erlaubt worden, doch heute abend durfte ich nicht gehen. Vielleicht morgen…

Diesen letzten Gedanken hatte ich offenbar laut ausgesprochen, denn jetzt sagte William:»Wir werden sehen, Kind. Es kommt ganz darauf an, ob es dir besser geht. Im Moment muß ich jedenfalls Mama recht geben. Du gehörst ins Bett. May, ich glaube, wir fahren jetzt lieber, sonst ist die Besuchszeit vorbei.«

«Aber wenn es etwas Ernstes ist, Will! Sie haben hier kein Telefon.«

«Dann kommen wir eben nach dem Besuch bei Vater noch einmal vorbei. Wenn Andrea einen Arzt braucht, wird sie es uns ja sagen, nicht wahr, Kind?«Ich nickte schwach.

Nachdem sie gegangen waren, zog Großmutter die Decke vom Sofa und legte sie mir um die Schultern. Mir war so heiß, daß ich hätte schreien können, und wenn mich auch

Großmutters Besorgnis um mich rührte, so wäre es mir doch am liebsten gewesen, sie hätte mich endlich allein gelassen, damit ich in die Vergangenheit hätte zurückkehren können. Wenn es für mich nur ein Mittel gegeben hätte, das Erscheinen dieser Menschen, die mich so faszinierten, heraufzubeschwören. Aber diese Möglichkeit gab es nicht.

Der Abend zog sich fast unerträglich in die Länge. Großmutter strickte zufrieden, warf mir ab und zu einen Blick zu, stand mehrmals auf, um meine Stirn zu fühlen. Als endlich William und May zurückkehrten, nutzte ich die Gelegenheit, um mich von den Decken zu befreien.

Großmutter schenkte Tee ein, während sie von ihrem Besuch bei Großvater berichteten.

«Er war richtig lebhaft heute abend. Wir haben uns gut unterhalten mit ihm, auch wenn wir kaum was verstanden haben…«Ich stand auf und sammelte die Wäschestücke ein, die ich am Morgen gewaschen und auf Großmutters Rat hin in der Nähe des Gasfeuers aufgehängt hatte. Sie waren mittlerweile alle trocken, und ich wollte sie nach oben bringen.

«Warte, warte!«rief Großmutter.»Wo willst du denn hin?«

«Meine Sachen sind trocken. Ich will sie nur hinaufbringen — «

«Kommt nicht in Frage. William kann sie dir rauftragen. Du bleibst hier unten, wo's warm ist.«

«Aber Großmutter — «

«Andrea«, sagte May behutsam,»vergiß nicht, daß du vorhin ohnmächtig geworden bist.«

«Aber es geht mir doch wieder gut. «Ich drückte Jeans und T-Shirts schützend an mich.

«Laßt sie doch selbst hinaufgehen, wenn sie sich wieder wohl fühlt«, meinte William.»So schlimm ist das doch nicht.«

«Na ja…«meinte Großmutter widerstrebend. Ehe sie es sich anders überlegen konnte, eilte ich zur Tür. Bevor ich sie öffnete, hörte ich Großmutter zu William sagen:»Also — hat der Arzt etwas gesagt, wann Vater nach Hause kommen kann?«

William beugte sich vor, um ihr zu antworten. Er öffnete den Mund, aber ich hörte keinen Laut. Ich sah zur Uhr. Sie tickte nicht mehr.

Gespannt blieb ich an der Tür stehen und wartete auf das Erscheinen der anderen. Ich wartete darauf, daß Großmutters billiger Schonbezug vom Sofa verschwinden und im Kamin ein Holzfeuer aufflammen würde. Aber nichts veränderte sich. Wo waren sie?

Großmutter, William und May saßen am Tisch bei ihrem Tee, ohne zu sprechen, ohne sich zu bewegen. Wieder sah ich zur Uhr. Sie tickte noch nicht wieder. Aber es geschah nichts.»Wo seid ihr?«flüsterte ich.

Schließlich riß ich die Tür auf und rannte in den Flur hinaus. An der ersten Treppenstufe stolperte ich und ließ meine Wäsche fallen.»Wartet«, flüsterte ich.»Wartet auf mich. «Hastig sammelte ich die Sachen auf und lief die Treppe hinauf. Oben lehnte ich mich erst einmal schwer atmend an die Wand. Obwohl mein Atem in kleinen Wölkchen vor mir aufstieg, spürte ich die Kälte nicht. Als ich wieder etwas zu Atem gekommen war, suchte ich im Dunkeln nach dem Schalter und machte Licht. In der trüben Beleuchtung konnte ich erkennen, daß die Tür des vorderen Schlafzimmers einen Spalt offenstand. Ich starrte sie mit Furcht und Entschlossenheit an.»Ja«, flüsterte ich und ging langsam auf sie zu. An der Türschwelle blieb ich stehen und spähte ins Zimmer. Es war dunkel und leer. Nichts Böses erwartete mich. Keine unsichtbaren Mächte. Keine verborgenen Schrecknisse. Es war bloß ein dunkles Zimmer. Ich knipste das Licht an.

Alles war so, wie ich es am Morgen nach dem Bad zurückgelassen hatte. Das Bett, die Vorhänge, meine Toiletten Sachen auf dem Sessel, meine Kleider im Schrank. Ich hielt inne. Der Schrank.

Mit dem Schrank stimmte etwas nicht.

Langsam ging ich auf ihn zu, ohne den Blick von ihm zu wenden, von der Maserung des dunklen Eichenholzes und den kleinen Messingbeschlägen. Und als ich vor ihm stehenblieb, hatte ich das unheimliche Gefühl, genau das schon einmal getan zu haben. Dann kam das Entsetzen. Ich spürte, wie die Atmosphäre umschlug. Ich brauchte nichts zu sehen, um zu wissen, daß sich etwas veränderte. Es drang etwas ins Zimmer ein, etwas, das eben noch nicht hiergewesen war. Es war das gleiche böse Fluidum wie am Abend zuvor. Wie ein ekelhafter Gestank kroch es aus den Ritzen des Kleiderschranks, stieg an mir hoch und umhüllte mich, tauchte mich in ein Entsetzen, dem ich nicht entrinnen konnte. Jetzt wollte ich fliehen.

Wie festgenagelt stand ich vor dem Schrank und hatte nur den einen Gedanken, mich loszureißen und vor der satanischen Macht davonzulaufen, die dieses Haus umklammerte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich wie gebannt auf den Schrank. Ich lauschte. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt. Ich zitterte unkontrollierbar. Aber ich konnte nicht davonlaufen. Aus dem Schrank drang ein Geräusch zu mir.

«O Gott«, wimmerte ich.»Bitte…«Im Schrank regte sich etwas. Wie von selbst hob sich mein Arm.»Nein!«flüsterte ich entsetzt.

Wie von selbst griff meine Hand nach dem Messingknauf und umschloß ihn. Und da wußte ich es. Was immer sich auch in dem Schrank verbarg, ich würde es herauslassen. Wie von selbst begann meine Hand, den Knauf zu drehen.»Andrea!«

Als hätte sie einen Schlag bekommen, fiel meine Hand herunter, und als wären die Bande, die mich an diesen Ort gefesselt hatten, plötzlich durchtrennt worden, taumelte ich nach rückwärts und fiel über das Bett. Ich sah die Schweißtropfen, die von meiner Stirn auf meine Arme herabfielen.

«Andrea!«rief William wieder von unten herauf.»Ist alles in Ordnung?«

«Ja!«rief ich heiser zurück und räusperte mich.»Ja, alles in Ordnung, Onkel William. Ich komm gleich runter.«

«Wir gehen jetzt.«

«In Ordnung. Ich komme.«

Irgendwie fand ich die Kraft, vom Bett aufzustehen. Meine Beine konnten mich kaum tragen. Das, was vorübergehend von meinem Körper Besitz ergriffen hatte, hatte ihn aller Kraft beraubt. Ich sah an meinem T-Shirt herunter. Es klebte feucht auf meiner Haut. Hastig zog ich das nasse Hemd aus und schlüpfte in ein frisches. Die Wäsche, die ich mit heraufgebracht hatte, ließ ich liegen, wo sie war, rannte zur Tür, knipste das Licht aus und lief in den Flur hinaus, die Treppe hinunter in den Korridor, wo William und May standen und gerade ihre dicken Jacken zuknöpften.»Wenn der Nebel morgen weg ist, besuchen wir euch vielleicht. Vorausgesetzt natürlich, daß der schwere Sturm, der aus Norden gemeldet wird, nicht hier aufkreuzt«, sagte May, während sie sich ihren Schal umlegte.»Hör mal, Andrea, wenn du Lust hast, zu uns herüberzukommen, zum Fernsehen oder um zu telefonieren oder was sonst, bist du jederzeit willkommen, das weißt du hoffentlich. Ich versteh sowieso nicht, wie du es in diesem zugigen kalten Haus aushältst.«

«Ach, so schlimm ist es gar nicht…«Ich dachte an das Telefon und an meine Mutter. Plötzlich hatte ich überhaupt kein Verlangen, mit ihr zu sprechen.

Nachdem William und May gegangen waren, sperrte ich die Haustür ab und schob die Polsterrolle vor die Ritze. Dann folgte ich Großmutter ins Wohnzimmer. Die erstickende Hitze nahm mir fast den Atem. Ich sah zum Gasfeuer hinunter. Großmutter hatte es auf die niedrigste Stufe gestellt. Nur ein blasses blaues Flackern war auf den Spiralen zu sehen. Und doch betrug die Außentemperatur, wie William gesagt hatte, zwei Grad unter Null.»Wird langsam kalt hier drinnen«, sagte Großmutter und ging sich die Hände reibend zum Kamin.

«Nein«, widersprach ich hastig.»Es ist gerade angenehm.«

«Was? Es ist ausgesprochen kalt, und ich habe drei Pullover übereinander an. Schau dich doch mal an in deinem dünnen Hemdchen mit den kurzen Ärmeln. Wie hast du das nur so lange oben ausgehalten?«

Oben. Der Schrank. Die grauenvolle Angst…»Großmutter — «

«Ja, Kind?«

«Ich-«

Sie sah mich an. Ihre Augen waren trübe. Buschig hingen die weißen Brauen über ihnen. Ihr Gesicht schien um vieles runzliger geworden zu sein, seit ich sie das letztemal richtig angesehen hatte. Sie schien unglaublich gealtert.»Wie geht es Großvater?«fragte ich schließlich.»Ach, nicht besonders, Kind. Ich weiß nicht genau, was ihm fehlt. Der Arzt sagt, es sind seine Gefäße. Die Arterien und Venen sind alle kaputt. Darum kann er nicht mehr gehen und ist meistens verwirrt. Sie können noch nicht sagen, ob sich das wieder bessern wird. Vielleicht kommt er nie wieder nach Hause.«

«Ach, Großmutter, das tut mir so leid. «Und es tat mir wirklich leid. Die Einsamkeit und die Sorge um ihren Mann belasteten Großmutter sehr, das war ihr deutlich anzusehen.»Ja, weißt du, Kind, dein Großvater und ich sind in den zweiundsechzig Jahren unserer Ehe nie getrennt gewesen. Nicht einmal einen einzigen Tag. Und jetzt dauert die Trennung schon Wochen. Ich komme mir so verloren vor ohne ihn. «Sie zog ein Taschentuch heraus und schneuzte sich.»Es ist spät, Kind, und ich bin müde. Ich denke, wir sollten zu Bett gehen.«

«Aber ja, Großmutter.«

Nachdem sie mir einen Gute-Nacht-Kuß gegeben hatte, schloß ich die Tür hinter ihr und schaltete das Gasfeuer aus. Dann setzte ich mich in meinen Sessel und überließ mich meinen Gedanken. Einen Moment lang war ich nahe daran gewesen, meiner Großmutter alles zu sagen, ihr mein Herz auszuschütten, von meinen seltsamen Erlebnissen, meinen Ängsten und bösen Ahnungen zu erzählen. Aber im nächsten Augenblick schon hatte ich die Traurigkeit in ihren Augen gesehen, die tiefe Müdigkeit in ihrem Gesicht und hatte es nicht über mich gebracht, ihr das Herz noch schwerer zu machen.

Aber es gab auch noch einen anderen Grund, der mich in letzter Sekunde bewogen hatte, Großmutter doch nichts zu sagen: Trotz aller Angst und allen Grauens, die ich soeben oben in meinem Schlafzimmer ausgestanden hatte, wurde mein Wunsch nach weiteren

Begegnungen mit meinen toten Verwandten immer stärker. Die Begierde, ihre Geschichte zu erfahren, wuchs ebenso wie meine Neugier, das Ende zu sehen. Die Angst, den >Zauber< zu brechen, wenn ich Großmutter oder sonst jemandem von meinen Erlebnissen etwas sagte, hatte mich veranlaßt zu schweigen. Ich hatte das Gefühl, in eine geheime Gesellschaft aufgenommen worden zu sein, Mitwisserin von Geheimnissen zu sein, von denen zu erfahren kein Außenseiter ein Recht hatte. Ich hatte Angst, den Lauf der Ereignisse zu stören und John, Harriet und Victor vielleicht nie wiederzusehen.

Aber ich mußte sie wiedersehen.

Jetzt lachte ich bei diesem Gedanken. Es ging nicht mehr nur um das Sehen, es ging um viel mehr. Sie hatten mich in ihre Gefühle und Leidenschaften hineingezogen, mich gezwungen, ihr Glück und ihren Schmerz mitzuerleben, wie den Konflikt zwischen Victor und seinem Vater. Die toten Townsends übertrugen ihre Empfindungen und Gefühle auf mich, so daß ich fühlte, was sie fühlten. Ich begann, mich mit ihnen wahrhaft verwandt zu fühlen, eine Verbindung spann sich an, wie ich sie mit keinem anderen je haben konnte. Etwas ganz besonderes. Etwas jenseits dieser Welt und dieses Lebens. Und es war mir schon teuer geworden. So wie mir die Townsends teuer geworden waren, ganz ohne Rücksicht darauf, was sie vielleicht in den kommenden Tagen tun würden. Und werde ich Victor immer noch mögen, dachte ich traurig, wenn ich erst seine schrecklichen Verbrechen mitangesehen habe?

Ich wollte nicht daran denken. Nicht jetzt, da sein Bild noch so frisch vor meinen Augen war, als stünde er leibhaftig vor mir. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Victor Townsend stand tatsächlich vor mir.

Die Hände auf dem Rücken, stand er breitbeinig am Kamin und wippte leicht hin und her, während er mit der Person sprach, die in dem Sessel neben mir saß.

«Ich mußte es riskieren, John«, sagte er.»Ich mußte noch einmal nach Hause kommen, ehe ich nach Edinburgh gehe. In fünf Monaten bekomme ich mein Diplom, dann reise ich von London direkt nach Schottland. Wer weiß, wann wir uns das nächstemal sehen werden.«

«Es kann dir passieren, daß Vater hereinkommt und dich hinauswirft. «

«Ich weiß. Aber er kommt ja selten vor acht aus dem Pub nach Hause. Da bleibt mir wenigstens ein kleines bißchen Zeit mit euch anderen.«

«Mutter will dich auch nicht sehen.«

«Ja, das ist mir klar. «Victor starrte mit düsterer Miene zu Boden.»Sie möchte mich schon sehen, aber sie hat Angst vor Vater.«

«Wir haben alle Angst vor ihm, Victor, nur du nicht. Glaubst du vielleicht, ich wäre nicht lieber auch nach London gegangen und ein feiner Herr geworden wie du? Du sprichst jetzt sogar wie ein echter Akademiker. Kein Mensch würde merken, daß du aus Lancashire kommst. Ach, Victor, du warst der einzige, der den Mut hatte, sich gegen ihn zu stellen. Und dafür bewundere ich dich. «Ich beobachtete Johns Profil. Ein Schatten von Traurigkeit trübte seine Augen, während er seinen Bruder wehmütig ansah.»Ja, ich bewundere dich. Mein Posten im Werk macht mir keine Freude. Aber ich habe keine andere Wahl. Vater würde mich vor die Tür setzen, wenn ich mich ihm widersetzen würde, und ich wüßte nicht, was ich sonst tun sollte. Du hingegen, du Glückspilz, du hast dieses Stipendium bekommen.«

Victor hob den Kopf und lachte. Seine Augen blitzten, und es machte mich glücklich, sein schönes Lächeln zu sehen.»Aber John, du bist doch glücklich und zufrieden mit deinen acht Pfund in der Woche! Außerdem wirst du Vater beerben und ich nicht. Ich gehöre nicht mehr zur Familie.«

«Aber das kannst du doch anfechten! In England — «Victor schüttelte den Kopf.»Das würde ich niemals tun, und das weißt du auch. Das Haus wird eines Tages dir gehören, John. Ich will es gar nicht. Das einzige, was ich brauche, ist mein Mikroskop und eine Schar engagierter Studenten. Beides werde ich in Schottland finden.«

Die Tür flog auf, und ein kalter Luftzug wehte Harriet herein. Dicht hinter ihr folgte Jennifer. Gespannt setzte ich mich auf.

Die beiden Mädchen eilten herein, schlössen die Tür hinter sich, und dann lief Harriet zu Victor und schlang ihm die Arme um den Hals.»John hat gesagt, daß du kommst!«rief sie außer Atem.»Ach, danke, daß du gekommen bist, Victor. Danke, daß du so mutig warst.«

Er nahm sie lachend in die Arme, ließ sich von ihr küssen und hörte amüsiert zu, während sie ihn mit Lob überschüttete. Seine Augen blitzten erheitert, kleine Lachfältchen bildeten sich an ihren Außenwinkeln, die Furche zwischen den Brauen glättete sich und war fast verschwunden.

Dann sah er Jennifer. Er hob den Kopf und blickte zur Freundin seiner Schwester hinüber, und sein Gesicht erstarrte. Das erheiterte Blitzen in seinen Augen erlosch, ein anderes, weit intensiveres Licht glomm in ihnen auf. Er starrte Jennifer an wie gebannt, ohne auf Harriets Schwatzen und die gelegentlichen Erwiderungen Johns zu achten. Und Jennifer, die gerade dabei war, das Band ihres Huts aufzuknüpfen, hielt mitten in der Bewegung inne, als sie Victor sah. Schweigend blickten sie einander in die Augen.

Nur ich bemerkte es. Harriet und John waren so vertieft in ihr Gespräch über das neue Automobil der O'Hanrahans, das erste in ganz Warrington, daß sie überhaupt nicht darauf achteten, was vorging. Ich als einzige erlebte den wunderbaren Augenblick im Jahr 1890, als Victor und Jennifer sich ineinander verliebten und einem Schicksal in die Hände fielen, aus dem sie sich nicht befreien konnten.

War es Liebe auf den ersten Blick? So jedenfalls empfand ich es, während ich beobachtete, wie die beiden einander unverwandt anblickten. Ich fühlte den plötzlichen Aufruhr der Gefühle in Victors Innerem, und das unerwartete Verlangen, das ihn erfaßte, erfaßte auch mich. Alles, was Victor bei dieser ersten Begegnung mit Jennifer fühlte, teilte sich mir mit. Und Jennifer? Als ich ihr in das fassungslose Gesicht sah, entdeckte ich auch in ihr eine plötzliche intensive Leidenschaft, eine Aufwallung von Gefühlen, die eben noch nicht spürbar gewesen waren. Aber ich nahm auch Verwirrung und Bestürzung wahr, denn diese Leidenschaft war ihr neu und erschreckte sie. Endlich begann Victor zu sprechen.»Meine kleine Schwester hat ihre guten Manieren vergessen«, sagte er gedämpft.»Mir scheint, ich muß mich selbst vorstellen. Victor Townsend. «Harriet wirbelte herum.»Demnächst Dr. Townsend! Oh, Victor, verzeih mir. Vor lauter Aufregung, dich zu sehen, habe ich Jennifer ganz vergessen. Victor, das ist Jennifer Adams. Sie wohnt in der Marina Avenue gleich beim Anger.«

Er trat zu ihr und reichte ihr die Hand. Ich spürte die knisternde Spannung. Sie ging von beiden aus.

John stand jetzt aus seinem Sessel auf, um ihn Jennifer anzubieten. Sehr steif und förmlich stand er vor ihr, ganz der wohlerzogene Kavalier. Aus ihrem Verhalten schloß ich, daß sie einander schon kannten. Harriet nahm Jennifers Umhang und trug ihn zusammen mit ihrem eigenen hinaus. Victor starrte sie immer noch an, doch sein Gesicht war jetzt umwölkt und nachdenklich. Jennifer strich sich mit den Händen glättend über ihren Rock, der schlichter war als Harriets, und ließ sich anmutig in den Sessel am Feuer sinken. Unter ihren gesenkten Lidern spürte ich Verwirrung. Sie rührte mich sehr, da ich wußte, was sie empfand.»Aufjeden Fall«, rief Harriet, als sie wieder ins Zimmer kam,»ist es ein aufregendes Vehikel, nicht wahr, Jenny? Es macht zwar einen Höllenlärm und stößt riesige Dampfwolken aus, aber es fährt ganz von allein.«

Victor riß sich mit einer Anstrengung aus seinen Gedanken, schüttelte den Kopf und sah stirnrunzelnd seine Schwester an.»Was redest du da eigentlich?«

«Von dem Automobil, das sich die O'Hanrahans gekauft haben. Jenny und ich haben es uns heute angesehen. Es fährt ganz von allein, Victor.«

«Der Verbrennungsmotor«, sagte Victor ruhig und sah zu der jungen Frau hinüber, die in dem Sessel neben mir Platz genommen hatte. Ich hatte den Eindruck, er wollte sich vergewissern, daß sie wirklich da war und nicht nur ein Bild seiner Phantasie.»Das mußte ja früher oder später kommen. Die Entwicklung geht heute auf allen Gebieten so rasch vorwärts, daß beinahe täglich etwas Neues kommt.«

«Ja, die O'Hanrahans haben sogar schon ein Telefon! Und elektrisches Licht. Wieso können wir kein elektrisches Licht haben?«John zuckte die Achseln.»Dieses Automobil ist sicher keine Sache von Dauer, da wette ich. Zu teuer, zu laut, viel zu umständlich instandzuhalten, und außerdem verpestet es die Luft. Es ist nichts weiter als ein neues Spielzeug, das Pferd wird es niemals ersetzen. Die O'Hanrahans wissen offenbar nicht wohin mit ihrem Geld. Im übrigen weißt du genau, daß du mit diesen Leuten — «

«Ach John!«

«Harriet«, rief Victor impulsiv.»Beinahe hätte ich vergessen, daß ich dir etwas mitgebracht habe. «Er nahm ein kleines Päckchen vom Kaminsims und reichte es ihr.

«Victor! Vielen Dank, wie lieb von dir. «Vorsichtig packte Harriet das Geschenk aus und hob den Deckel des Kästchens, das unter dem Papier verborgen war. Mit großen Augen sah sie auf.»Was ist das?«

«Das ist eine Uhr, die man am Handgelenk trägt. «John trat näher, um sich die Sache anzusehen.»Was, zum Teufel — das ist doch nichts anderes als eine Taschenuhr.«

«Aber sie wird am Arm getragen. Sie ist extra für Damen entworfen, verstehst du, da sie kein Uhrtäschchen an ihren Kleidern haben. Komm, Harriet, gib mir deine Hand.«

Victor legte seiner Schwester die Uhr um und gab ihr einen leichten Klaps auf die Hand.»Na bitte! Genau wie die eleganten Frauen in London.«

Harriet strahlte wie ein Kind. Sie hielt die Uhr ans Ohr, horchte einen Moment und warf Victor dann mit einem Freudenschrei die Arme um den Hals.

«Also, soviel Aufmerksamkeit bekomme ich nie«, bemerkte John neckend, aber ich glaubte einen Unterton von Groll in seiner Stimme zu hören.

Ich sah zu Jennifer hinüber, die still am Feuer saß, die Hände im Schoß gefaltet. Der Schein der Flammen warf goldene und kupferrote Glanzlichter auf ihr tiefbraunes lockiges Haar. In ihren Augen war eine Schwermut, ein Ausdruck tiefer Sehnsucht und Verwirrung, der mich ergriff. Das zarte Profil mit der fein geschwungenen Nase und dem schwellenden Mund war sehr schön. Es machte mich stolz zu wissen, daß diese Frau meine Urgroßmutter war.

Der Gedanke hatte etwas Bestürzendes, denn sie war in diesem Moment so nahe und so lebendig, daß ich meinte, ich brauchte nur den Arm auszustrecken, um sie berühren zu können. Und was würde geschehen, wenn ich es tat? Diese Menschen aus der Vergangenheit waren meiner Anwesenheit nicht gewahr, und dennoch erschienen sie mir so real.

«Die muß ich Mutter zeigen«, rief Harriet und lief schon zur Tür.»Sie hat bestimmt noch nie von einer Armbanduhr gehört.«

Ein kalter Wind blies ins Zimmer, dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloß. In der Stille war nur das Prasseln des Feuers zu hören. Ich sah Victor an. Der Sturm, der in seiner Seele tobte, spiegelte sich in seinen dunklen Augen, und ich vernahm die Frage, die er sich stellte: Warum mußte das geschehen?

Es berührte mich so tief, daß ich am liebsten aufgesprungen wäre und ihn umarmt hätte, wie Harriet das tun durfte. Doch mir war das nicht erlaubt. Ich mußte mich mit der Rolle der stummen Beobachterin zufriedengeben.

Aber ich nahm teil an seiner Qual. Ich fühlte sie. Ich konnte mich vor den Leidenschaften dieser Menschen nicht schützen. Ich hatte keine Abwehr gegen sie. Von allen Seiten stürmten die Gefühle auf mich ein: Jennifers ängstliche Verwunderung über die seltsame Wirkung, die Victor auf sie ausübte; Johns Eifersucht auf den Bruder, der im Mittelpunkt stand; Victors Liebe zu einer Frau, die er erst wenige Minuten kannte, und seine Verzweiflung darüber.

«Es ist schon dunkel draußen«, sagte John plötzlich.»Vater wird oben Feuer wollen. Bitte entschuldigt mich…«Er sah lächelnd zu Jennifer hinunter, aber sie blickte ihn an, als

nähme sie ihn gar nicht wahr. Er lief an mir vorbei zur Tür hinaus, und ich blieb allein mit den beiden Menschen, die meine Urgroßeltern waren.

Die Stille war voller Scheu und Unbehagen. Jennifer spielte mit ihren Fingern und starrte ins Feuer, und Victor, der vor ihr stand, sah grüblerisch ins Leere. Ich wünchte, sie würden sprechen, ihren Gefühlen Ausdruck geben, offenbaren, was in ihnen vorging, ehe die anderen zurückkehrten.

Wie in Antwort auf mein stummes Flehen hob Jennifer den Kopf und sagte:»Harriet hat mir erzählt, daß Sie in einigen Monaten nach Edinburgh gehen, Mr. Townsend.«

Er sah Jennifer an, und der grüblerische Blick in seinen Augen wich einem Ausdruck ungläubiger Verwunderung. Zugleich schoß ihm flüchtig ein Gedanke durch den Kopf: All die Frauen in London — wie viele? Flüchtige Begegnungen, die nur einen Tag oder eine Woche wichtig waren; Abwechslung und Ablenkung. Aber das hier, das ist etwas Neues…

«Ja, das ist richtig. Sobald ich mein Diplom in der Tasche habe, gehe ich dort ans Königliche Krankenhaus.«

«Und werden Sie lange dort bleiben?«fragte sie scheu und so leise, daß es kaum zu hören war.

«Das ist ganz unbestimmt, Miss Adams. Es kann sein, daß ich überhaupt nicht zurückkomme.«

Ihre Augen weiteten sich.»Oh, wie traurig! — Für Ihre Familie, meine ich.«

«Es zieht mich nicht nach Warrington. Ich möchte Forschungsarbeit leisten, neue Heilmittel entdecken. Auf diesem Gebiet wird gerade jetzt in Schottland viel getan, und mit einem Empfehlungsschreiben von Mr. Lister werde ich die richtigen Männer kennenlernen.«

«Ich finde das sehr bewundernswert. «Sie senkte den Kopf und blickte wieder ins Feuer. Wieder spürte ich Victors tiefes Verlangen, während er sie mit brennendem Blick betrachtete.»Wie lange leben Sie schon in Warrington, Miss Adams?«

Sie sprach, ohne aufzublicken.»Seit einem Jahr. Wir kommen aus Prestatyn in Wales

— «

«Ah ja, ich dachte mir schon — «

«Mein Vater bekam einen guten Posten im Stahlwerk angeboten. Er ist Abteilungsleiter, wissen Sie…«Jennifer hob den Kopf und sah Victor an. Kaum verhohlene Faszination lag auf ihrem Gesicht. Ich spürte, wie die Liebe in ihr anschwoll, und hörte ihre stumme Frage: Wie ist das möglich?

Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und die großen, fragenden Augen waren wie die eines Rehs.

«Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Miss Adams«, sagte Victor.»Es ist schade, daß wir uns erst so spät kennengelernt haben. «Sie sagte nichts.

«Wenn wir uns vor einem Jahr begegnet wären«, fuhr er ruhig fort,»dann…«

«Ja, Mr. Townsend?«sagte sie leise.»Dann wären wir vielleicht Freunde geworden.«

«Aber sind wir das jetzt nicht? Ich kenne Harriet seit einem Jahr. Wir sind viel zusammen. Und sie hat mir viel von Ihnen erzählt. Ich habe das Gefühl, Sie schon zu kennen, Mr. Townsend. «Er lächelte.»Sie müssen einmal nach Edingburgh kommen. «Jennifer senkte wieder die Lider, und ihre Schultern wurden schlaff.»Ach, Schottland ist so weit weg. Ich fürchte, da werde ich nie — «

«Jennifer! Wenn ich Sie so nennen darf. Vielleicht kann ich eines Tages zu Besuch nach Warrington kommen. Werden Sie dann hier sein?«

Sein drängender Ton erschreckte sie ein wenig.»Mein Vater hat nicht die Absicht noch einmal umzuziehen. Ich bin sicher, daß wir in Warrington bleiben werden. Aber werden Sie denn zurückkommen? Können Sie zurückkommen?«

Mit einer heftigen Bewegung drehte sich Victor von ihr weg und sagte, beide Hände auf den Kaminsims gestützt, mit erstickter Stimme:»Ich kann niemals zurückkommen. Solange dies das Haus meines Vaters ist, kann ich nicht zurückkommen. Ich bin nicht mehr sein Sohn. Wenn Sie in der Tat Harriets Freundin sind, und sie mit Ihnen spricht, dann müssen Sie von dem Zwist zwischen mir und meinem Vater wissen…«

«Ja, sie — «

«Dann müssen Sie wissen, daß ich selbst jetzt eigentlich nicht hier sein dürfte, denn es würde ihn von neuem erzürnen, und er würde mich hinauswerfen, sollte er mich hier vorfinden. Selbst jetzt…«Die Stimme versagte ihm.»Er wird jeden Moment heimkehren, und ich muß gehen. Es tut mir leid, daß ich Sie so abrupt und unhöflich verlassen muß. Es ist wahrhaftig nicht mein Wunsch. Aber ich habe keine andere Wahl.«

Zorn und Hoffnungslosigkeit spiegelten sich in seinen Augen, als er sich umdrehte. Warum gerade jetzt? schrie es in ihm. Warum mußte ich dieser Frau gerade jetzt begegnen? Jetzt, da ich für immer fort muß. Die Qual ist unerträglich.

«Victor«, sagte ich plötzlich, und mein Herz schlug im Takt mit dem seinen.

«Wir können niemals Freunde werden, Jennifer«, fuhr er fort,»weil wir einander nie wiedersehen werden. Ich kann niemals in dieses Haus zurückkehren.«

Ich sprang auf und streckte den Arm nach ihm aus.»Victor! Hör mir zu!«

Aber meine Hand griff ins Leere, und ich war wieder in Großmutters schäbigem alten Wohnzimmer.

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