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Die Herberge war nicht mehr als ein Schuppen, der windschief auf einem Felsvorsprung unterhalb des Pfades klebte. Ein Schwalbennest, von Menschenhand teils aus dem Stein herausgehauen, teils mit Holz hineingebaut.

Nichts für furchtsame Gemüter, dachte Fortune. Nicht einmal für kühnere Seelen, sobald die Sonne unterging. Sobald die hereinbrechende Dunkelheit die Grenzen zwischen Himmel und Berg auszulöschen begann und die Herberge dann in der finsteren Nacht schweben würde.

Erst in dem Zwielicht im Innern dieses Nestes fasste Fortune Mut. Im Strahlen der sich verabschiedenden Sonne, das den nackten Raum, das notdürftige Lager am Boden sanft erhellte.

»Lian, ich …«

Sie streckte den Arm aus und legte die Finger auf seinen Mund. »Was es auch ist … Kann es warten bis morgen?«

Fortune nickte.

Lian trat einen Schritt zurück. Es klirrte leise, als sie ihr Schwert auf dem Boden ablegte. Sie schälte sich aus ihrer Jacke, den Stiefeln, zog ihr Hemd über den Kopf. Und Fortune wurde zu ihrem Spiegelbild: mit einem Kleidungsstück nach dem anderen.

Wie eine seltene Orchidee war Lian.

In ihren Sepalen und Petalen, ihrem Labellum. Ihrer seidigen Festigkeit. Dem weichen Samt eines Gynostemiums. Feinnervig, empfindsam und maßlos. Mit ihrem Duft, der schwer war und berauschend.

Er hatte nicht gewusst, dass es so sein konnte. Ein solcher Rausch, ein solcher Taumel. Ein solches Glück.

Mit einer Frau, die weich und nachgiebig war, zugleich fordernd und drängend, mit den Narben eines Kriegers auf der Haut. Schriftzeichen aus einer fremden Welt, die er in dieser Nacht mit den Fingerspitzen, seinem Mund zu lesen lernte: Geschichten eines ungezähmten Lebens, eines wilden, freien Herzens. Geschichten von Abenteuern und Wanderschaft und Kampf. Fast wie aus alten Legenden und doch von dem pulsierenden, glühenden Leben erfüllt, das er auf seiner Haut spürte. Unter seinen Händen. An seinem eigenen Leib.

Es gab dunkle Mächte, hier in diesen Bergen.

Geister heimlichen Begehrens. Drachen, die verzehrendes Feuer spien. Dämonen, die sich aus der Tiefe der eigenen Seele hervorschlängelten und einem offen ins Gesicht blickten.

Fortune lernte, mit ihnen zu tanzen, in dieser Nacht. Diese Mächte furchtlos zu umarmen, halb auf sicherem Fels gegründet, halb im freien Fall.

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