Es ist ein besonderer Tag, als der Postmann das Paket aus China bringt.

Wie Weihnachten mitten im blütenstrotzenden Mai, bei Sonnenschein und Bienengesumm und Vogelgezwitscher.

Helen und John sprudeln über vor Aufregung und zappeliger Vorfreude, während Jane eine Herrlichkeit nach der anderen auspackt und an sie weiterreicht.

Ein Jo-Jo, das Helens Geschicklichkeit und Geduld herausfordert. Kleine, bunt bemalte Kreisel, die John in Entzücken versetzen. Eine kleine Trommel mit Handgriff, auf die mit Schnüren befestigte Perlen klackern, wenn man sie rasch dreht, und die rasselt, wenn man sie schüttelt. Ein Stoffbeutel voller Puzzleteile aus Holz.

Die staunenden Ausrufe der Kinder, ihr Lachen und Glucksen und Plappern machen die Küche gleich noch einmal so hell.

Lächelnd sieht Jane ihnen zu, greift nur dann mit einem Hinweis, einer helfenden Hand ein, wenn eines der Kinder sie mit ratlosem Gesichtsausdruck darum bittet.

Immer wieder wandert Janes Blick zu dem Bündel, das einen Gutteil des Küchentischs einnimmt. Seit sie die grobe Baumwolle zurückgeschlagen hat und darunter der kostbare Stoff hervorglänzte, hat sie es nicht mehr angerührt.

An diese Kostbarkeit kann sie sich nur langsam herantasten.

Was hat er sich nur dabei gedacht!, geht ihr jedes Mal durch den Kopf, wenn sie den Ballen Seide betrachtet, und dabei schlägt ihr Herz schneller.

Jetzt streckt sie doch die Hand aus und fasst nach der äußersten Ecke der Seide, reibt sie vorsichtig zwischen zwei Fingern.

Dass er sich Gedanken dabei gemacht hatte, erkennt sie.

Es sind die Farben ihrer Augen, ihrer Haare; Farben, die sie selbst ausgesucht hätte. In einem Muster, das ihr gefällt.

Jane merkt, wie sie rot wird.

Wie damals, als er sie das erste Mal angesehen hat. Beim ersten Wort, das er an sie richtete. Als er das erste Mal ihre Hand nahm.

Beim ersten Kuss.

Ihre Röte vertieft sich.

Für einen Morgenrock ist die Seide zu schade, bei zwei kleinen Kindern im Haus. Es ist mehr als genug Stoff für ein Kleid, aber wann sollte sie ein solches auch anziehen? In Chiswick würde sie sich damit nur zum Gespött machen, in Swinton noch mehr.

Das war ein Stoff für feine Damen der Gesellschaft. Nicht für eine Jane Fortune.

Was hat er sich nur dabei gedacht.

Rasch lässt sie den Stoff los und widmet sich den kleinen Figuren aus grünem und marmoriertem Stein. Eine nach der anderen nimmt sie in die Hand, betrachtet sie genau.

Eine stellt einen Drachen dar, eine andere einen Greis mit Wanderstock und langem Bart und die dritte einen dickbäuchigen Mann mit kahlem Kopf.

Die übrigen Figuren jedoch geben ihr Rätsel auf.

Ein Frosch? Eine Kröte? Oder doch etwas anderes? Eine weitere Figur ähnelt mal einem bulligen Hund, mal einem Raubtier. Sie scheint mal Flügel, mal Arme zu besitzen, je nachdem, wie das Licht darauf fällt. Die nächste ist wie aus dem dickbäuchigen Mann, einem Molch und einem Bär zusammengesetzt; bei einer weiteren ist Jane unschlüssig, ob sie einen Menschen oder einen Affen zeigt.

Jane weiß nicht, was sie von diesen Figuren halten soll, die zwischen fremdartiger Schönheit und Scheußlichkeit schillern.

Sie stellt die letzte Figur auf den Tisch, schiebt sie von sich.

Etwas an ihnen ist ihr unheimlich, sie weiß nur nicht, was.

Wie Vorboten eines Unheils wirken sie.

Jane nennt sich selbst eine Närrin. Bestimmt ist es nur ihre Angst um Robert, die sie irrational sein lässt. So fern, wie er ihr ist, in einem Land voller Gefahren.

Jetzt stellt die Seide eine willkommene Ablenkung dar; behutsam streichelt sie darüber und beschließt, ein Lavendelsäckchen mit in die Baumwolle einzuschlagen und den Ballen erst einmal in der Kommode zu verwahren.

Bis sie weiß, wofür sie ihn verwenden wird.

Manchmal, in seltenen ruhigen Momenten, wird sie ihn hervorholen, über seine geschmeidige, kühle Glätte fahren und davon träumen, dass sie ihn hier in Chiswick doch einmal tragen kann.

Eines Tages. Irgendwann.

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