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Ich schwieg.

Nach allem, was er mir von seinem Land erzählt hatte, nach allem, was ich von den Engländern gesehen hatte, war sein Land keines für mich. Kein Land, in dem eine Frau wie ich frei leben konnte, weniger noch als hier, und ich konnte nicht eingesperrt sein. Nirgendwo.

Auch ohne dass es in diesem Land noch eine Ehefrau gab und zwei Kinder.

»Ich könnte auch hierbleiben«, sprach er weiter. »Weiter Xinghua sein. Mir einen echten Zopf wachsen lassen. Irgendwo auf dem Land Pflanzen züchten und verkaufen.«

Die Bestimmtheit seiner ersten Worte war nach und nach abgebröckelt; schwankend klangen sie zuletzt. Mehr nach einer schwachen Hoffnung, denn nach echter Überzeugung.

Dies war kein Land für unrealistische Träume. Kein fremder Barbar konnte auf Dauer in Sicherheit und Frieden hier leben, und ich an Fortunes Seite ebenso wenig. Und keine Tarnung währt ewig: Jede Lüge, die man zu leben versucht, bekommt irgendwann Risse und Lücken, die sie zum Einsturz bringen.

Unruhen zeichneten sich am Horizont ab, vielleicht ein neuer Krieg. Um Opium oder Tee, vielleicht würden die mächtigen Männer unserer Länder noch einen anderen Grund finden.

Dies war keine Zeit, die kleinen Leuten wie uns Raum ließ für unsere Wünsche, für unsere Pläne.

Das wusste er genauso gut wie ich, so gut kannte ich ihn.

Aber dies war kein Morgen, um vernünftig zu sein. Nicht nach dieser Nacht.

Nicht, während die Sonne uns ihren ersten Gruß entgegenschickte, der goldene Himmel das Wolkenmeer zu unseren Füßen blau einfärbte, dann rosig tönte. Ein Zauber, der nur uns gehörte, uns allein.

Ein Morgen war es, um zu träumen. Zu glauben, dass alles möglich sein konnte, was man sich nur wünschte auf dieser Welt.

»Erst müssen wir das Kloster finden«, wisperte ich, und er nickte.

Stumm hielten wir uns aneinander fest. Auf diesem kleinen Bröckchen Fels zwischen Himmel und Erde, während die Sonne über den Gipfeln von Huangshan aufging.

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