Sie hat gewusst, dass sie nicht oft von ihm hören wird.

Jeder Brief, den er schreibt, legt einen unendlich weiten Weg über die Ozeane der Welt zurück. Etwas mehr als vier Monate auf einem Schiff, und ihre Antwort wird dann genauso lange unterwegs sein.

Hin und zurück fast die Zeit, die ein Kind braucht, um zur Welt zu kommen.

Es entspricht ihm auch nicht, ausschweifende Episteln zu schreiben. Sein Herz auf Briefpapier auszuschütten.

Sie sind beide keine Menschen vieler Worte, haben weder für Schwärmereien noch für große Gesten etwas übrig.

Seine Ernsthaftigkeit – sie war es, die Jane anfangs am meisten für ihn eingenommen hat.

Diese Art von Ernsthaftigkeit, die niemanden je auf die Idee kommen ließe, seinen Namen zu Rob, Robbie oder Bert zu verkürzen.

Er war nicht wie die ausgelassenen Burschen, die ihr derbe Scherze nachriefen. Nicht wie die eitlen Frauenhelden, die ihre hungrigen Augen auf der Suche nach einem frivolen Geplänkel umherschweifen ließen.

So hochgewachsen, dass er fast alle anderen Männer auf der Straße überragte, obwohl er den Kopf gesenkt hielt, ging er in sich gekehrt seiner Wege. Mit einer Zielstrebigkeit, die einen Sog auf Jane ausübte; sie wäre ihm gern gefolgt, wohin es ihn auch zog.

Konzentriert saß er im Gottesdienst in St. Mary’s, und genauso in sich versunken verrichtete er seine Arbeit im Botanischen Garten – wie sie an einem ihrer freien Tage überrascht feststellte, mit leichtem Herzklopfen.

Es dauerte, bis er sie bemerkte.

Plain Jane. Unscheinbare, hausbackene Jane.

Fremd noch in der großen, grauen Stadt, ein Mädchen vom Land, und gehemmt.

Aber beharrlich, wenn sie sich etwas in den Kopf setzt.

Die ersten Blicke, der erste zaghafte Gruß. Die ersten Worte, die sie wechselten, unbeholfen und verlegen. Erstaunt, beim anderen den gleichen heimatlichen Zungenschlag zu hören, der eine unerwartete Nähe schuf.

Ein Wunder, dass sie sich nicht schon früher begegnet waren, daheim keine zehn Meilen voneinander entfernt aufgewachsen, er in Edrom, sie in Swinton. Und auch hier in Edinburgh lagen nur fünf Minuten Laufweg zwischen seiner Broughton Street und ihrer Albany Street.

Beides Landgewächse, aus Cottages auf herrschaftlichem Grundbesitz stammend, mit vielen Geschwistern und hart arbeitenden Eltern, wussten sie genau, was sie vom Leben erwarteten.

Bescheidenen Wohlstand. Ein Heim. Familie. Eine Ehe, in der einer dem anderen ein guter Kamerad war.

Sogar ihre Namen schienen perfekt aufeinander abgestimmt.

Jane Penny. Robert Fortune.

Grundlage für neckende Wortspiele. Eine Erinnerung daran, wo sie herkamen, und ein Wegweiser, wo sie hinwollten.

Jane mochte, was unter seinem schroffen Äußeren durchschien. Eine männliche Art von Sanftheit, Zärtlichkeit beinahe. Wie er ein Blatt zwischen den Fingern rieb, über eine Blüte strich, wenn sie mit ihm im Botanischen Garten spazieren ging.

Stets ängstlich, ihre Herrschaft würde davon erfahren und es nicht billigen.

Dabei war er von der rechtschaffenen Sorte. Keiner, bei dem sie Sorge haben musste, dass er sein ganzes Geld ins nächste Pub trug wie der Mann ihrer Schwester Mary. Keiner, der nur auf eine flüchtige Liebelei aus war. Ein guter Mann, dem sie eine gute Frau sein konnte. Sparsam, wie sie war, geschickt in Haushaltsdingen und in der Küche.

Also heirateten sie.

Sie hat nicht damit gerechnet, eines Tages hier zu sitzen wie die Frau eines Seemanns, allein mit den Kindern und ganz auf sich gestellt.

Ohne die Möglichkeit, sich ihm mitzuteilen, im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.

Mühselig ist es, Ereignisse und Gedanken auszuformulieren und zu Papier zu bringen. Abends, wenn die Kinder schlafen und sie selbst müde ist nach einem langen Tag voller Hausarbeit und Mutterpflichten.

Was nützt es noch, ihm im Nachhinein von dem großen Hagelsturm im August zu schreiben, als das kleine Cottage wie unter Beschuss lag, sie zitternd die weinenden Kinder an sich drückte und betete, dass das Dach heil blieb? Sie weiß auch nicht, ob es ihn interessiert, dass der Themsetunnel nach Jahrzehnten schwieriger Bauzeit und zahlreichen Überflutungen endlich eröffnet worden ist. Dass man jetzt für nur einen Penny trockenen Fußes und Hauptes unter dem Fluss durchspazieren kann, erscheint nicht nur Jane wie ein Weltwunder. Aber würde Robert das genauso sehen, in diesem fernen Land voll eigener seltsamer Wunder?

Und sie bekommt nicht niedergeschrieben, wie sehr die Abspaltung der Free Church of Scotland von der Mutterkirche sie in ihren Grundfesten erschüttert hat. In ihrem Weltbild, ihrem Glauben.

Sie vermisst es, sich in Blicken auszudrücken. In ihrer Mimik. In Gesten.

In dieser wortlosen, selbstverständlichen Sprache, die sie als Mann und Frau unter dem gemeinsamen Dach teilten.

Jane will tapfer sein. Eine gute Ehefrau. Ohne Jammern, ohne Nörgeln und Klagen.

Eine Stütze für Robert.

Auch über Tausende von Meilen hinweg.

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