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Er schien sich vollkommen sicher zu sein, dass ich ihn nicht verstand, wenn er vor sich hinmurmelte. Mit seinem blassen Mund, geschwungen wie der einer Frau.

Wie hätte er auch wissen können, wie leicht es war, die Sprache der fremden Teufel von den Straßen aufzulesen, als Schattengestalt in den dunklen Winkeln. Umso mehr, als die Barbaren es dazu noch für nötig hielten, ihre Worte mit vielen Gesten und Grimassen zu unterstreichen, die es einfach machten, deren Bedeutung zu erraten.

Worte, die hart und glatt waren wie Kieselsteine. Ohne die flüchtigen Zwischentöne, die bei uns demselben Laut, demselben Schriftzeichen eine andere Bedeutung gaben.

Und schon längst war die Sprache der Barbaren in die Mundarten meiner Landsleute eingesickert. Zu neuen Ausdrücken hatten sie sich vermischt. Zu einem neuen Dialekt, dessen Name eine verwaschene Aussprache seines Ursprungs war: Pidgin. Business.

Meine Mutter hatte oft gesagt, ich sei neugieriger, als es für ein Mädchen gut wäre.

Aber wie sollte man denn lernen ohne Neugierde? Und wie konnte Wissen überhaupt etwas Schlechtes sein? Man weiß doch nie, wofür man etwas, das man gelernt hat, einmal brauchen kann.

Das Leben ist so oder so hart und ungerecht, davor schützt auch Dummheit nicht. Und Schläge tun immer gleich weh, ob sie nun auf einen klugen oder einen dummen Kopf treffen.

Erst viel später verstand ich, was meine Mutter gemeint haben musste.

Wer neugierig ist, hebt irgendwann den Blick vom Herdfeuer. Vom Rand seines Reisfelds. Und entdeckt, dass es dahinter mehr geben muss. Wer neugierig ist, fängt irgendwann an, Fragen zu stellen. Zweifel zu haben. Vielleicht sogar gegen das Joch aufzubegehren, das man ihm aufgedrückt hat. Und stört damit die Ordnung, die die Götter und der Kaiser verlangten, die Ahnen und Vater und Mutter.

Eine Schande in der Welt, aus der ich kam. Und der erste Schritt zur Freiheit.

Weil ich neugierig gewesen war, hatte ich mein Leben in die eigenen Hände genommen, waren sie damals auch noch so klein.

Und nie hatte ich aufgehört, Fragen zu stellen. Etwas in Zweifel zu ziehen. Neues zu lernen, wann immer ich etwas davon auf meinen Wegen entdeckte.

Also hielt ich die Ohren gespitzt, auf meinem Platz zwischen den Gräsern. Versuchte, mehr von der Sprache der Barbaren zu lernen als das, was ich in den Hafenstädten aufgeschnappt hatte.

Es machte mir nichts aus, dass ich anfangs von den Selbstgesprächen des fremden Teufels nur einzelne Worte verstand, mir später Bruchstücke zusammenreimen konnte, doch vieles ein Rätsel blieb.

Ich mochte seine Stimme, die tief war und nie laut. Gleichmäßig und ruhig strömte sie vor sich hin wie die Fluten des Yangzi Jiang.

Dabei war dieser Barbar alles andere als schön anzusehen.

Unter dem Hut klebten ihm Haarsträhnen wie Braunalgen im Gesicht, das hastig und lieblos aus hellem Lehm zusammengeknetet schien. Sein Schöpfer hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, der Nase eine richtige Form zu geben; klobig ragte sie aus diesem Gesicht hervor wie der Rüssel eines mo.

Vielleicht bewirkte der Gedanke an dieses Fabeltier, das nachts kommt und die bösen Träume frisst, dass seine Augen ihren Schrecken verloren.

Sie waren nicht wie Glas. Sie waren wie Wasser.

Meistens von frischem Blau. Manchmal grau wie unter einem Regenhimmel, dann wieder grün wie ein Fluss an einem heißen Sommertag.

Ich hatte nicht gewusst, dass es auf dieser Welt Menschen mit solchen Augen gab.

Schmal und schräggestellt waren sie, fast wie bei uns. Und doch anders.

Fuchsaugen.

Ich mochte es, dass er nie etwas fragte, nie etwas forderte. Sich selbst genug zu sein schien, genau wie ich.

Mich auf eine freundliche Weise einfach sein ließ.

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